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Covid-19 hat viele Gesichter. Manche Menschen scheinen keine oder sehr milde Symptome zu haben, andere erkranken so schwer, dass sie auf der Intensivstation behandelt werden müssen. Ähnlich verschieden scheint die Immunabwehr des Körper bei einer SARS-CoV-2-Infektion zu sein. Derzeit laufen international viele Studien, welche sich mit der Immunität gegen SARS-CoV-2 – also dem vom Körper gebildeten Schutz gegen eine erneute Erkrankung - beschäftigen. Die Wissenschaft ist weltweit in regem Austausch über die neuesten Erkenntnisse. Einige Thesen werden an manchen Orten bestätigt, an anderen kurz darauf wiederlegt. Es gehört zum wissenschaftlichen Alltag, dass bei der Erforschung unbekannter Erreger die Aussagen stets überprüft und eventuell auch neu formuliert werden müssen. Alles, was wir über SARS-CoV-2 wissen ist das Ergebnis dieses andauerenden Neu-Bewertens und Auswertens und der engen Zusammenarbeit von Forschenden weltweit.

Dieser Artikel gibt den derzeitigen Wissensstand zum angegebenen Datum wieder. Er wird regelmäßig nach den neuesten Kenntnissen aktualisiert.

Welche Abwehrkräfte mobilisiert der Körper bei einer Covid-19 Infektion?

Bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 wird das körpereigene Abwehrsystem aktiviert. Dieser Prozess läuft bei vielen Krankheiten ähnlich ab:

Kommt unser Immunsystem mit einem Erreger in Kontakt, beginnt es unter anderem damit, Antikörper gegen ihn zu bilden. Bei diesen Antkörpern gibt es fünf verschiedene Klassen. Für die Abwehr gegen SARS-CoV-2 scheinen bisher die Klassen IgG, IgM und IgA am wichtigsten zu sein. IgM-Antikörper werden früh vom Immunsystem gebildet und sprechen für eine recht frische Infektion. Nach einer gewissen Zeit findet ein sogenannter Antikörper-Switch statt, dann werden vor allem IgG-Antikörper gebildet. Sie sichern die langfristige Abwehr gegen Erreger. Bestimmte IgA-Antikörper finden sich vornehmlich auf Schleimhäuten, wie im Mund-Nasen-Rachenraum. Da die Schleimhäute die bevorzugte Eintrittspforte für SARS-CoV-2 darstellen, wurden in Studien daher auch diese Antikörper genauer untersucht. Es gibt Hinweise, dass sie ebenfalls eine besondere Rolle bei der Abwehr gegen das Virus spielen.

Die neu gebildeten Antikörper sind spezifisch, das bedeutet sie passen genau auf spezielle Bindungsstellen an der Oberfläche des SARS-CoV-2 Virus. Zusammen mit anderen Zellen des Immunsystems können sie die Viruspartikel unschädlich machen. Der Nachteil: die Bildung der Antikörper benötigt Zeit. Unser Immunsystem muss das Virus und die Strukturen auf seiner Oberfläche erst kennenlernen.

Zytotoxische T-Zellen und ihre Bedeutung bei Covid-19

Eine weitere wichtige Rolle in der Bekämpfung von Covid-19 spielen die zytotoxischen (übersetzt in etwa "zelltötenden") T- Zellen - manchmal auch T-Killer Zellen genannt. Diese tragen ein spezielles Protein auf ihrer Oberfläche und werden deshalb auch als CD8 positive- zytotoxische T- Zellen bezeichnet. Die T-Zellen gehören zu den weißen Blutkörperchen und erkennen bei Viruserkrankungen die infizierten Körperzellen, in denen sich das Virus bereits vermehrt. Ist eine solche infizierte Zelle erkannt, töten die T-Killer-Zellen diese ab. So kann die infizierte körpereigene Zelle die Viren nicht weiter verbreiten. Dass T-Zellen auch bei Covid-19 eine Rolle spielen können, darauf weisen erste Untersuchungen aus Essen und Wuhan hin. Diese fanden heraus, dass Menschen, die nur wenig T-Killer-Zellen haben, schwerere Verläufe von Covid-19 durchmachen mussten. Die T-Zellen können durch Chemotherapien, bestimmte Medikamente oder andere, das Immunsystem betreffende Krankheiten reduziert sein. Aber auch bei alten Menschen finden sich häufig weniger T-Zellen. Auch starkes Übergewichtig kann die Aktivität der T-Zellen negativ beeinflussen.

Wie lange hält der Schutz an?

Der Schutz, welcher durch Antikörper entsteht, hält bei unterschiedlichen Krankheiten verschieden lange an. Bei einigen Krankheiten entsteht nach dem Kontakt mit dem Erreger, oder auch nur Teilen davon, eine lebenslange Immunität. Bei einigen anderen Erkrankungen fallen die Antikörperkonzentrationen mit der Zeit ab und es besteht kein ausreichender Schutz mehr. Dann kann man erneut daran erkranken. Nach einer Covid-19 Infektion ist aktuell noch unklar, wie lange die Antikörper im Blut vorhanden sind und ob ihre Konzentration dann auch für eine effektive Abwehr der Erkrankung ausreichend ist. Da das Virus erst seit wenigen Monaten bekannt ist, kann sich eine sichere Aussage zur Langzeit-Immunität erst in einigen Jahren machen lassen. Es gibt allerdings bereits Studien, die darauf hindeuten, dass die Antikörperkonzentration im Blut zum Teil rasch abfallen kann. Da derzeit noch unklar ist, welche Rolle die verschiedenen Mechanismen des Immunsystems bei der SARS-Cov-2 Abwehr spielen, kann man nicht sagen, welche Bedeutung der gemessene Abfall von Antikörpern tatsächlich hat.

Wird man immun gegen SARS-CoV-2?

Viele Antikörper gegen einen Erreger können ein Hinweis darauf sein, dass das Immunsystem ihn bei einem erneuten Kontakt rasch wiedererkennt und den Körper somit gegen eine Erkrankung schützen könnte. Daher widmen sich viele Untersuchungen den Antikörper-Konzentrationen bei Menschen, die bereits eine Covid-19 Erkrankung hinter sich haben:

Eine Studie des Gesundheitsamtes Lübeck untersuchte 110 an Covid-19 Erkrankte. Bei Rund 30 Prozent fanden sich gar keine Antikörper gegen das Virus. Aus der Schweiz und China gibt es ähnliche Untersuchungen. Hier hatten Menschen mit milden Covid-19 Infektionen ebenfalls gar keine oder sehr wenig oder nur für circa 35 Wochen Antikörper im Blut. Auch die ersten deutschen Infizierten wurden in München untersucht, ob sich die Antikörperkonzentrationen bei ihnen veränderten. Tatsächlich stellte man auch bei diesen fest,dass mit der Zeit weniger Antikörper gegen SARS-CoV-2 vorhanden waren. Allerdings sind dies ganz neue Studien, teilweise sogenannte Vorveröffentlichungen, die noch wissenschaftlich bestätigt werden müssen.

Eine weitere vorveröffentlichte Studie aus Essen und Wuhan untersuchte 327 Erkrankte, die in einem Krankenhaus behandelt wurden. Bei 80 Prozent fanden sich nach sechs Monaten noch aktive Antikörper, welche ausreichten, um das Virus unschädlichen zu machen. Es stellt sich also die Frage, ob die Schwere der Erkankung Einfluss auf die Antikörperbildung hat. Auch muss weiter geforscht werden, ob manche Infizierte tatsächlich gar keine Antikörper gegen SARS-CoV-2 bilden. Laut Professor Ulf Dittmer, Direktor des Instituts für Virologie der Uniklinik Essen, wird eine Antikörper-Antwort gegen Viren in der Regel schnell hervorgerufen. Die Menge an Antikörpern steigt erst sehr stark an, erreicht einen Höhepunkt, fällt danach wieder ab und stabilisiert sich dann auf einem Niveau, das meistens noch Schutz gegen eine neue Infektion vermitteln kann, erläutert der Experte.
Zudem ist noch nicht geklärt, welche Menge von Antikörpern ausreichend wäre, um eine erneute Infektion zu verhindern. Trotz vorhandener Antikörper könnte es also bei einer zu niedrigen Menge zu einer erneuten Erkrankung kommen. Aber ob man wirklich wieder an Covid-19 erkranken kann, wenn gar keine oder nur wenig Antikörper im Blut nachweisbar sind, muss ebenfalls noch untersucht werden. Bisher ist kein Fall sicher nachgewiesen, bei welchem eine Person, die Covid-19 bereits durchgemacht hatte, erneut daran erkrankte.

Erinnerung des Immunsystems - wichtig für die Bekämpfung von Erregern

Denn auch die T- Zellen könnten eine Funktion bei der "Erinnerung" des Immunsystems an die bekannten Erreger spielen.
Und noch ein weiterer Aspekt ist wichtig: SARS-CoV-2 gehört zur großen Klasse der Coronaviren. Diese gibt es schon seit längerem und sie verursachen oft Erkältungskrankheiten. In einigen Studien wurde daher untersucht, ob Menschen, die bereits Infektionen mit anderen Coronaviren durchgemacht haben besser gegen das Pandemie-Virus geschützt sind. Bisher deutet vieles daraufhin, dass die Antikörper, welche gegen die "harmloseren" Coronaviren gebildet wurden auch in der Abwehr gegen SARS-CoV-2 unterstützend wirken können. Dies wird auch als Kreuzreaktion bezeichnet.

Für die Klärung all dieser Fragen benötigt es weiterhin Zeit und Studien, denn selbst die allerersten Infizierten haben die Erkrankung an Covdi-19 erst vor sieben Monaten durchgemacht. Bisher gab es noch keinen gesicherten Nachweis von Zweiterkrankungen. In Deutschland koordiniert das Robert Koch Institut die bundesweite Forschung zu dem komplexen Thema in groß angelegten "Antikörper-Studien".

Was bedeutet das für Impfungen?

Was die Probleme bei der Antikörperbildung für Impfungen gegen SARS-CoV-2 bedeuten, ist noch nicht klar. Viele Impfungen funktionieren nach dem System, die Antikörperproduktion gegen die Erreger anzuregen, ohne die Erkrankung durchgemacht zu haben. Wenn der Erreger tatsächlich in den Körper eindringt, wird er dann schnell erkannt, und bekämpft. Eine erste Impfstoff-Studie, welche im New England Journal of Medicine veröffentlich wurde, beschreibt Antikörperkonzentrationen im Blut von Getesteten, welche höher waren als bei Menschen, die die Krankheit durchgemacht hatten. Untersucht wurden die Antikörper bis 57 Tage nach der ersten Impfung.

Sollten aber auch Impfungen gegen SARS-CoV-2 eher kurzfristige Antikörperproduktion anregen, könnte es sein, dass häufiger aufgefrischt werden muss, um einen ausreichenden Schutz zu erreichen. Dieses ist aber ebenso bei einigen anderen Impfungen der Fall.

Aber auch bei den Impfstoffen gibt es verschiedene Ansätze. Es können unterschiedliche Teile des Immunsystems durch sie angeregt werden, unter anderem die T-Zellen. Daher sind auch diese Impfstoffe Teil der intensiven Forschung.

Letzendlich lässt sich auch bezüglich der Impfstoffe nur zusammenfassen, dass es Studien und Zeit braucht, um sicher festzustellen, welcher Ansatz der sinnvollste in der Bekämpfung von SARS-CoV-2 ist. Außer Frage hingegen steht, dass eine verträgliche und funktionierende Impfung, auch wenn sie zeitlich begrenzt schützt, in jedem Falle ein wichtiger und großer Schritt bei der Bekämpfung der Pandemie darstellt.

Beratender Experte:

Professor Dr. Thomas Mertens ist Virologe und leitete bis 2018 das Institut für Virologie am Universitätsklinikum Ulm. Seit 2017 ist er Leiter der Ständigen Impfkomission (STIKO) des Robert Koch-Instituts (RKI). In der aktuellen Corona-Pandemie ist er Mitglied der Arbeitsgruppe "Covid-19-Impfung" des RKI. Seine Arbeitsschwerpunkte umfassen unter anderem die Forschung zu humanen Zytomegalieviren und Influenzaviren.

Quellen

Deeks JJ, Dinnes J, Takwoingi Y, et al. Antibody tests for identification of current and past infection with SARS‐CoV‐2. Cochrane Database of Systematic Reviews 2020, Issue 6. Art. No.: CD013652. DOI: 10.1002/14651858.CD013652.

Long, Q., Tang, X., Shi, Q. et al. Clinical and immunological assessment of asymptomatic SARS-CoV-2 infections. Nat Med (2020).

SARS-CoV-2: Antikörper-Studien des RKI (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Projekte_RKI/Antikoerper-Studien.html Abgerufen am 15.07.2020)

McIntosh MD. Coronavirus disease 2019 (COVID-19): Epidemiology, virology, and prevention. UpToDate Inc (https://www.uptodate.com/contents/coronavirus-disease-2019-covid-19-epidemiology-virology-and-prevention?search=covid%2019&source=search_result&selectedTitle=3~150&usage_type=default&display_rank=3#H1575856513 Abgerufen am 15.07.2020)

Long, Q., Liu, B., Deng, H. et al. Antibody responses to SARS-CoV-2 in patients with COVID-19. Nat Med 26, 845–848 (2020).

10.1056/NEJMoa2022483

bioRxiv 2020.05.21.108308; doi: https://doi.org/10.1101/2020.05.21.108308

https://www.amboss.com/de/wissen/Immunsystem (Abgerufen am 15.07.2020)

https://www.amboss.com/de/wissen/Spezifisches_Immunsystem#xid=p60LNS&anker=Z2de794bee51e994726def5386d486584 (Abgerufen am 10.07.2020)

dpa-Meldung: Corona-Studie: Antikörper bieten vermutlich längerfristig Immunität, 21.07.2020