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Schlaganfälle, Herzinfarkte und andere lebensbedrohliche akute Erkrankungen gibt es immer, daran ändert auch das Coronavirus nichts. "In Deutschland behandeln wir alle Notfallpatienten gleichrangig – ob mit oder ohne Covid-19. Auch Schlaganfall- und Herzinfarktpatienten werden genauso gut versorgt wie bisher", sagt Professor Uwe Janssens, Präsident der Deutschen interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI).

Janssens weiß, wovon er spricht. Als Chefarzt der Klinik für Innere Medizin und Internistische Intensivmedizin am St. Antonius-Hospital in Eschweiler betreut er auch die Patienten aus dem Corona-Hotspot Heinsberg. "Bei uns gab es in den vergangenen Wochen keine Versorgungsengpässe bei der Behandlung Nicht-Covid-19-Erkrankter. Das gilt auch zum aktuellen Zeitpunkt."

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Gefährliche Angst: Betroffene gehen seltener in die Klinik

Seit Beginn der Corona-Pandemie werden weniger Schlaganfall- und Herzinfarktpatienten in die Notaufnahmen eingeliefert, berichten Ärzte in Deutschland und Europa. Sie vermuten: Die Betroffenen wagen sich aus Angst vor Ansteckung nicht mehr in die Klinik – trotz teils lebensbedrohlicher Symptome. Viele bleiben auch deshalb fern, weil sie davon ausgehen, dass in den Krankenhäusern nicht ausreichend Kapazitäten zur Verfügung stehen.

Eine fatale Entscheidung, sagt Professor Wolf-Rüdiger Schäbitz, Pressesprecher der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) und Chefarzt der Klinik für Neurologie am Evangelischen Klinikum Bethel in Bielefeld: "Schlaganfall und Herzinfarkt sind immer Notfälle. Jede Minute des Zögerns erhöht das Risiko, dass der Patient stirbt oder dauerhaft beeinträchtigt bleibt. Betroffene oder Angehörige müssen deshalb immer sofort den Notruf 112 kontaktieren." 

Kliniken haben genug Platz für Nicht-Covid-19-Patienten

Die Versorgung von Akutpatienten sei auch während der Pandemie sichergestellt, betonen Vertreter diverser medizinischer Fachgesellschaften. Zwar machen sich die Kliniken derzeit auf den Ansturm vieler Covid-19-Patienten gefasst und halten dafür eine große Anzahl von Krankenhaus- und Intensivstationsbetten frei. "Trotzdem stehen weiterhin Kapazitäten für akut oder chronisch kranke Patienten zu Verfügung", betont Professor Jürgen Floege, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) und Direktor der Klinik für Nieren- und Hochdruckkrankheiten, rheumatologische und immunologische Erkrankungen an der Uniklinik der RWTH Aachen.

Das bestätigt auch Dr. Bernd Metzinger, der bei der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) das Dezernat Personalwesen und Krankenhausorganisation leitet: "Die Krankenhäuser haben alle nicht eiligen Therapien und Eingriffe auf später verlegt." Dadurch bleiben auf den Intensivstationen jetzt Betten frei. Ungenutzte Betten auf Normalstationen konnten räumlich zusammengefasst und zu Intensivbetten umgewandelt werden. "Für die Behandlung von Patienten mit Herzinfarkt, Schlaganfall oder anderen Erkrankungen bleiben also die nötigen Kapazitäten unverändert bestehen", betont Metzinger.

Verstärkte Hygienemaßnahmen im Rettungswesen

Auch das Rettungspersonal ist auf die aktuelle Situation vorbereitet. Um Ansteckungen zu unterbinden, gelten für Notärzte und -Sanitäter verstärkte Hygienemaßnahmen. Dazu gehört neben Schutzausrüstung auch, dass Patienten frühzeitig über mögliche Risikofaktoren und Covid-19-Symptome befragt werden. Angehörige dürfen nur in Ausnahmefällen in den Rettungsfahrzeugen mitfahren, Schichtwechsel werden möglichst ohne Kontakt abgewickelt.

Wichtig sei, Covid-19-Patienten und andere Notfallpatienten bereits vor dem Eintreffen in der Klinik voneinander zu trennen, sagt DIVI-Präsident Uwe Janssens: "Deshalb sollten Betroffene und Angehörige es dem medizinischen Personal so früh wie möglich mitteilen, wenn bei ihnen ein Verdacht auf Corona besteht." In den Notaufnahmen werden Patienten mit Schlaganfall- und Herzinfarktsymptomen wie sonst auch gut und rasch versorgt, betont DSG-Pressesprecher Schäbitz: "Eine erhöhte Gefahr der Ansteckung mit dem Corona-Virus in der Notaufnahme oder auf den Stationen besteht nicht." 

Für Patienten, die mit dem neuen Coronavirus infiziert sind, haben die Krankenhäuser gesonderte Bereiche eingerichtet, erläutert Krankenhausexperte Bernd Metzinger. Klimaanlagen seien so geschaltet, dass der Luftzug nicht aus den Zimmern der Infizierten herausgeht. "Die Hand- und Flächendesinfektion ist noch einmal deutlich verstärkt worden. Masken, Einmalkittel, Handschuhe und in besonderen Bereichen auch Schutzbrillen schützen die Mitarbeiter vor Tröpfcheninfektion." Damit eine Übertragung ausgeschlossen ist, seien Ärzte und Pflegende, die sich um Covid-19-Patienten kümmern, von der Versorgung anderer Patienten freigestellt.  

Reha nach dem Klinikaufenthalt findet weiterhin statt

Ein großer Teil der Schlaganfall- und Herzinfarktpatienten absolviert nach der Akutklinik eine Rehabilitation, die meist stationär, also in einer Rehabilitationsklinik stattfindet. Aktuell ist die Unsicherheit unter Reha-Patienten und Antragstellern groß: Können sie ihre Anschlussheilbehandlung oder ihre Rehabilitation antreten – und wenn ja, was erwartet sie dort? Hier gilt: Anschlussheilbehandlungen, also Reha-Maßnahmen unmittelbar nach dem Klinikaufenthalt, sind medizinisch notwendig und werden weiterhin wie gewohnt durchgeführt.

"Das betrifft im Augenblick vor allem Menschen nach einem Herzinfarkt, Schlaganfall oder einer Tumor-Operation", erläutert Christof Lawall, Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Rehabilitation (DEGEMED). Einige Bundesländer haben Aufnahmestopps für Reha-Maßnahmen verfügt, die nicht medizinisch erforderlich sind. "Die Leistungszusage der Rentenversicherung oder der Krankenkasse bleibt aber gültig. Die Maßnahme kann zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden", versichert Lawall.

Reha-Kliniken: Was sich durch Corona geändert hat

Eine laufende Anschlussheilbehandlung oder Anschlussrehabilitationen sollte unbedingt fortgesetzt werden, betont Lawall: "Sie ist notwendiger Teil der Behandlungskette." Angst vor Ansteckung müssen die Rehabilitanden nicht haben. Die meisten Einrichtungen haben laut Lawall schon vor Wochen entsprechende Schutzmaßnahmen ergriffen: "Wenn sich alle Mitarbeiter und Patienten an die Vorsichtsmaßnahmen wie zum Beispiel Abstandsregelungen und Hygienevorschriften halten, wird das Infektionsrisiko kaum größer sein als zu Hause."  

In vielen Reha-Einrichtungen fallen Ausflüge und größere Veranstaltungen aus. Zudem werden einzelne Therapien gestrichen – etwa Wassergymnastik oder Gruppentherapien. Angehörige dürfen Patienten meist nicht besuchen, aber von der Reha abholen. Zeigen Rehabilitanden Covid-19-Symptome, werden sie in ihren Zimmern versorgt, wie bei anderen ansteckenden Erkrankungen auch. Falls die Reha-Einrichtung unter Quarantäne gestellt wird, bleiben die Patienten meist vor Ort und werden weiter betreut.  

Wer dennoch fürchtet, sich zu infizieren, kann eine bewilligte Maßnahme nach Rücksprache mit der Einrichtung und dem Kostenträger verschieben oder auch abbrechen. "Die meisten Kostenträger haben inzwischen geklärt, dass ihre Kostenzusage für mehrere Monate gültig bleibt. Betroffene müssen also keine neue Leistung beantragen", sagt Christof Lawall.

Auch eine ambulante Fortführung der Reha ist möglich

Auch eine ambulante Rehabilitation kann in dieser Situation eine Alternative sein, darauf verweist Joscha Brunßen, Vorsitzender des Bundesverbands ambulanter medizinischer Rehabilitationszentren (BamR). Bei der ambulanten Rehabilitation halten sich Patienten nur für die Zeit der Therapie in der Klinik auf und verbringen ihre Abende und Wochenenden zu Hause.

"In vielen Fällen können ambulante Reha-Zentren Patienten behandeln, die in Reha-Kliniken derzeit nicht mehr stationär aufgenommen werden. Das gilt auch für die akute Versorgung bei der Anschlussheilbehandlung nach einer Operation", so Brunßen. Die Voraussetzung ist allerdings, dass Patienten das ambulante Reha-Zentrum innerhalb einer angemessenen Zeit erreichen können und dass eine Kostenzusage der zuständigen Versicherung vorliegt.

Ob Herz- oder Hirninfarkt: Training zu Hause hilft immer!

Ambulante Therapien wie Logopädie, Ergo- und Physiotherapie sind weiterhin möglich, denn auch hier handelt es sich um medizinisch notwendige Behandlungen, die ein wichtiger Bestandteil der Nachsorge sind – vor allem in den ersten Wochen und Monaten nach dem Schlaganfall oder Herzinfarkt, aber auch darüber hinaus. Behandelt wird nur noch in Einzeltherapie. Auch die Sporttherapeuten im Fitnesszentrum halten den Sicherheitsabstand zu ihren Schützlingen ein.

Wer allein trainieren kann, wird entlassen und erhält eine Anleitung für das Training zu Hause. Einige Therapeuten bieten auch Sitzungen per Videotelefonie an. Unabhängig von der aktuellen Corona-Situation ist es immer hilfreich, zu Hause zu trainieren. Die Deutsche Schlaganfall-Hilfe empfiehlt zum Beispiel ein 42-Tage-Programm, das Schlaganfall-Betroffene auf dem Youtube-Kanal "Strokemark" finden (https://www.youtube.com/channel/UCLbeDvBRNGUtg5xsDXBMCZQ).   

Für die häusliche Nachsorge gilt: In den Arztpraxen ist die Situation momentan angespannt. Um Ansteckungen zu verhindern, sollten sich alle Patienten vor dem Besuch in der Praxis unbedingt telefonisch melden.