Immuntherapie bei Brustkrebs
Für Frauen mit einer besonders aggressiven Form der Tumorerkrankung gibt es neue Hoffnung: die Immuntherapie

Fortschritte bei der Behandlung von Brustkrebs: Eine neu zugelassene Immuntherapie gibt Hoffnung auf Heilung
Schwarzer Hautkrebs, Leukämie, bösartige Tumore der Lunge: Bei einigen Krebserkrankungen hat ein neues Therapieprinzip einen Durchbruch in der Behandlung gebracht. Durch Immuntherapien gelingt es, die körpereigene Abwehr so zu verändern, dass diese den Krebs erkennt und angreift.
Fortschritte bei der Brustkrebs-Behandlung
Neue Studien zeigen jetzt erstmals Erfolge bei der häufigsten Tumorerkrankung der Frau: Brustkrebs. Die Immuntherapie kann die Prognose offenbar bei einer besonders aggressiven Form verbessern, bei der andere moderne Medikamente nicht greifen. Ein entsprechender Wirkstoff hat Ende September die EU-Zulassung erhalten und zählt damit zu den Mitteln der ersten Wahl. Ein weiterer könnte bald folgen.
Die Behandlung von Brustkrebs hat in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht. Verschiedene Antikörper hemmen das Krebswachstum, verlängern das Überleben, verbessern die Chance auf Heilung.
Durchbruch in der Krebstherapie
Eine Ausnahme bildete bislang allerdings eine Brustkrebsform, die Mediziner als triple-negativ bezeichnen (siehe Grafik unten). "Den Tumorzellen fehlen die drei Rezeptoren, an denen die bislang verfügbaren Medikamente binden", erklärt Professorin Nadia Harbeck, Leiterin des Brustkrebszentrums des Klinikums der Universität München. "Die Aussichten waren deutlich schlechter als bei anderen Brustkrebsformen."
Die Immuntherapie könnte das ändern. Professor Peter Schmid ist Krebsexperte an der Queen-Mary-Universität in London und Autor zweier aktueller Studien zu der neuen Behandlungsoption. Er spricht von einem Durchbruch.
"Es ist das erste Mal, dass eine Therapie das Überleben der Patientinnen mit dieser Brustkrebsart deutlich verlängert hat", so der Forscher. Bei Frauen mit lokal fortgeschrittenem Brustkrebs besteht zudem die Hoffnung, die Heilungschancen zu verbessern.
Trick des Immunsystems
Durch die Therapie gelingt es, den Krebs für die körpereigene Abwehr sichtbar zu machen. "Lange dachten wir, Krebszellen sind den Körperzellen zu ähnlich – deshalb erkennt sie unser Immunsystem nicht", erläutert Schmid. Inzwischen weiß man: Manche Tumore unterscheiden sich sogar stark von gesundem Gewebe – auch triple-negativer Brustkrebs.
Hilfe fürs Immunsystem


Krebszelle mit drei (triple) Rezeptoren
Medikamente besetzen Bindungsstellen auf der Zelloberfläche und hemmen so das Krebswachstum

Krebszelle triple-negativ
Triple-negative Zellen haben diese Bindungsstelle nicht. Die Behandlungen schlagen daher nicht an
Dass das Immunsystem sie trotzdem nicht beseitigt, liegt an einem Trick der Tumorzellen. "Unsere Abwehr hat eine Anschalt- und eine Abschaltfunktion", sagt Schmid. Schließlich muss das Immunsystem, beispielsweise nach einer überstandenen Infektion, wieder zur Ruhe kommen. Krebszellen nutzen diese Mechanismen als eine Art Tarnkappe. Signale aus dem Tumorgewebe blockieren den Angriff der Immunzellen.
Wirkstoffe für die Abwehr
Immuntherapien können die Bremse lösen. Ein Ansatzpunkt ist die Verbindung zwischen zwei Eiweißen auf der Oberfläche der Krebszellen, kurz PD1 und PD-L1 genannt. Sogenannte Checkpoint-Inhibitoren, wie die in zwei Studien eingesetzten Wirkstoffe Atezolizumab und Pembrolizumab, blockieren dort den Signalweg und stellen auf diese Weise die Abwehr wieder scharf.
Die Patientinnen erhielten die Medikamente zusätzlich zu einer Chemotherapie. "Die Kombination ist wichtig", betont Schmid. Die Chemotherapie schwächt zwar auf längere Sicht die Infektabwehr. Doch führt sie auch dazu, dass sterbende Tumorzellen Strukturen freigeben, die das Immunsystem erkennt und angreift. Das wiederum kurbelt die Abwehr an.
Getestet wurde Atezolizumab an Patientinnen mit fortgeschrittener Erkrankung. Der Brustkrebs war inoperabel oder hatte schon in andere Organe gestreut. Einen klaren Effekt erkannten Mediziner allerdings nur bei einer Untergruppe, den PD-L1-positiven Patientinnen. Etwa 40 Prozent der Teilnehmerinnen zählten dazu. Für sie erhielt das Medikament im September die Zulassung.
Hoffnung auf Heilung
Die Behandelten profitieren unterschiedlich. "Bei einigen hält die Wirkung der Therapie sehr lange an", sagt Nadia Harbeck. Bei anderen schreitet die Erkrankung nach einiger Zeit wieder voran. Warum, ist noch unklar.
Pembrolizumab wurde bei lokal fortgeschrittenen, aber operablen Tumoren getestet. Die Patientinnen erhielten das Mittel vor dem chirurgischen Eingriff. Bei der Operation wurden bei vielen von ihnen keine Krebszellen mehr gefunden – deutlich öfter, als wenn sie nur eine Chemotherapie erhalten hatten.
Die Hoffnung: Das könnte die Heilungschancen erhöhen. Ein gutes Jahr nach der OP waren bei den Patientinnen, die das Medikament erhalten hatten, jedenfalls deutlich weniger Rückfälle aufgetreten.
Nebenwirkungen der Immuntherapie
Dennoch warnt Harbeck vor einem zu breiten Einsatz der Immuntherapie – zumal sie nicht ohne Nebenwirkungen ist. So können schwere Entzündungsreaktionen auftreten, deren Folgen Betroffene lebenslang belasten. Beide Experten sehen in den Ergebnissen lediglich einen ersten Schritt: So steht noch nicht fest, welche Wirkstoffkombination die bestmögliche ist.
"Die Zukunft wird sein, verschiedene Therapien in der Behandlung zu kombinieren", prognostiziert Schmid. Nicht, weil man mit allen verfügbaren Mitteln gegen den Krebs vorgeht, sondern weil sich diese in ihrer Wirkung verstärken.