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Shigellose - kurz erklärt

Die Shigellose ist eine Infektionskrankheit, welche durch das Bakterium Shigella aus der Familie der Enterobakterien hervorgerufen wird. Eine Infektion mit dem Bakterium verursacht Durchfallerkrankungen aufgrund eines Giftes (Endotoxin), welches von den Bakterien produziert wird. Eine Untergruppe (Shigella dysenteriae Typ 1) produziert neben dem Endotoxin auch ein Exotoxin (Shiga-Toxin 1), welches schwere Durchfallerkrankungen auslöst, teilweise mit blutigen Stühlen und starken Bauchkrämpfen. Behandelt wird eine Shigellose nach vorheriger Resistenztestung mit Antibiotika. Ebenfalls muss der durch den Durchfall bedingte Flüssigkeits- und Salzverlust ausgeglichen werden. Selten ist hierfür eine Krankenhausbehandlung nötig. Übertragen werden Shigellen meist fäkal-oral, das heißt, die Erreger werden über den Stuhl ausgeschieden (fäkal). Bei mangelnden Hygienemaßnahmen oder durch Fäkalien verunreinigtes Trinkwasser wird dann der Erreger über den Mund (oral) aufgenommen. Erworben wird eine Shigellose meist im Ausland, daher gilt der alte Grundsatz zum Verzehr von Nahrungsmitteln: cook it, boil it, peel it or forgett it! (koch es, brat es, schäl es oder vergiss es!).

Was ist eine Shigellose?

Unter einer Shigellose (Shigellen-Ruhr, Shigellen-Dysenterie) versteht man eine Infektionskrankheit, verursacht durch ein gramnegatives Bakterium aus der Gruppe der Enterobakterien, die Shigellen. Insgesamt gibt es aufgrund unterschiedlicher Antigenstrukturen (sogenanntes O-Antigen) und biochemischen Eigenschaften vier verschiedene Untergruppen (Serogruppen), welchen allen gemeinsam ist, dass sie beim Menschen schwere Durchfallerkrankungen auslösen können.

Geschichtliches zur Shigellose

Immer wieder kam es in der Geschichte zu großen Shigellose-Epidemien, besonders wenn die hygienischen Verhältnisse sehr schlecht und die Menschen durch Hunger und Armut geschwächt waren. Dies erklärt das gehäufte Auftreten der Shigellose in Kriegszeiten. Alleine während des amerikanischen Bürgerkriegs erkrankten mehr als eine halbe Million Menschen.

Namensgebend für den Erreger war sein Entdecker, der japanische Mikrobiologe Kiyoshi Shiga, der im Rahmen einer großen Shigelloseepidemie den Erreger 1897 erstmalig aus dem Stuhl von Erkrankten isolierte.

Ursachen: Wie kommt es zu einer Shigellose?

Der Erreger der Shigellose ist das gramnegative Bakterium Shigella, das sich in vier Serotypen unterteilen lässt (früher Seroguppen A, B, C und D genannt):

  • Shigella dysenteriae
  • Shigella flexneri
  • Shigella boydii
  • Shigella sonnei

Diese lassen sich weiter in mehrere Untergruppen (Serovare) unterteilen. Alle Serotypen bilden Giftstoffe, sogenannte Endotoxine, welche eine entzündliche Reizung der Darmwand verursachen. Ein Hauptfaktor für den schweren Verlauf einiger Infektionen ist das von Shigella dysenteria Typ 1 gebildete Exotoxin, auch Shiga-Toxin 1 genannt.

Der Magen-Darm Trakt des Menschen ist das beinahe einzige Reservoir für Shigellen. Daher findet die Übertragung normalerweise auf fäkal-oralem Weg von Mensch zu Mensch statt. Die Erreger werden mit dem Stuhl (fäkal) ausgeschieden und dann über den Mund (oral) wieder aufgenommen – meist über direkten Kontakt (zum Beispiel Hände schütteln, bei zuvor zu gering gewaschenen Händen nach dem Toilettengang). Auch über verunreinigtes Wasser und Nahrungsmittel sowie selten durch Fliegen, können sich Menschen infizieren. Betroffene sind ansteckend, solange sich der Erreger im Stuhl nachweisen lässt. Meist sind das ein bis vier Wochen.

Verbreitung: In welchen Regionen kommt die Shigellose vor?

Da schon kleinste Mengen des Erregers für eine Infektion ausreichen, können sich – besonders in Regionen mit niedrigen hygienischen Standards und mangelnder Abwasserversorgung – weitgreifende Epidemien entwickeln. Gerade wenn viele Menschen auf engem Raum zusammenleben, besteht ein Risiko dafür. Die geschätzt 80 bis 160 Millionen Erkrankungen pro Jahr und damit verbunden geschätzte 600.000 Todesfälle kommen fast ausschließlich in Entwicklungsländern vor. Nur etwa ein Prozent der Fälle findet sich auch außerhalb dieser Regionen. Shigellen sind weltweit verbreitet, die einzelnen Spezies unterliegen einer unterschiedlichen geographischen Verteilung: S. dysenteriae kommt vor allem in tropischen und subtropischen Regionen vor, S. boydii in Vorderasien sowie Nordafrika und S. sonnei in Mitteleuropa. S. flexneri ist weltweit verbreitet. Hierzulande treten die Erreger manchmal in Gemeinschaftseinrichtungen (zum Beispiel Pflegeheimen oder Kindergärten) auf, wenn Hygienemaßnahmen nicht ausreichend beachtet werden.

Die in Deutschland vorkommenden Infektionen werden vor allem durch S. flexneri und S. sonnei ausgelöst und verlaufen meist nicht schwerwiegender als eine einfache Durchfallerkrankung, welche allerdings hochakut anfangen und hochinfektiös sein können. Betroffen sind vor allem Kinder und junge Erwachsene. Mit 60 bis 70 Prozent wird die Mehrzahl der in Deutschland vorkommenden Shigellosen von Reisenden importiert - insbesondere bei Reisen nach Ägypten, Marokko oder Indien.

Symptome: Wie äußert sich die Shigellose?

Grundsätzlich lässt sich der Erkrankungsverlauf in vier Phasen einteilen. Zwischen Infektion (Aufnahme des Erregers) und Krankheitseintritt (Auftreten von Symptomen), die sogenannte Inkubationszeit, liegen typischerweise ein bis vier Tage. Danach kommt es zu leichten Durchfällen sowie gelegentlich zu Fieber, Appetitlosigkeit, Krankheitsgefühl und Bauchkrämpfen. Bei diesen Symptomen kann es bleiben, wenn der Erreger kein Shiga-Toxin (siehe Abschnitt Ursachen) bildet. In schwereren Fällen kommt es jedoch innerhalb kurzer Zeit (Stunden bis Tage) zu andauernden wässrigen, blutig-schleimigen Durchfällen (Dysenterie). Dieses klinische Bild nennt man dann auch Ruhr. Der durch die Durchfälle verursachte Flüssigkeits- und Salzverlust kann zu Austrocknung, Nierenversagen, Krämpfen, Kreislaufkollaps und sogar zum Koma führen.

Besonders für immungeschwächte Menschen (zum Beispiel durch Krankheit oder Mangelernährung) und Kinder ist die Infektion gefährlich. Schwerwiegend kann die bakterielle Ruhr verlaufen, wenn sie durch S.dysenteriae hervorgerufen wird, welches das Shiga-Toxin bildet. Tödliche Verläufe sind in Entwicklungsländern unter diesen Umständen häufig.

Selten entwickeln sich schwere Komplikationen wie das toxische Megacolon oder das hämolytisch urämische Syndrom (HUS). Beim toxischen Megacolon verursacht die schwere Entzündung der Darmwand eine Lähmung der Darmtätigkeit sowie eine massive Ausweitung des Darms, die zu Darmdurchbrüchen führen kann. Das HUS kann – bei Infektionen mit S. dysenteriae – durch das Shiga-Toxin zum Nierenversagen führen, wie es in Deutschland von EHEC-Infektionen (enterohämorraghische E. coli Bakterien) bekannt ist.

Besonders nach einer Infektion mit S.flexneri kann es als Folgeerkrankung zur sogenannten postinfektiösen Arthropathie (Reiter-Syndrom) kommen. Dieses Syndrom, für das es eine bestimmte Veranlagung gibt, geht mit teilweise Monate bis Jahre anhaltenden Gelenks-, Augen- und Harnwegsentzündungen einher.

Diagnose: Wie lässt sich die Shigellose feststellen?

Bei der Diagnosestellung sind, aufgrund des relativ seltenen Auftretens außerhalb von Entwicklungsländern, vor allem kürzlich erfolgte Auslandsaufenthalte zu berücksichtigen. Wer nicht in einem entsprechenden Reiseland unterwegs war, bei dem kommen andere Krankheiten (zum Beispiel Salmonellen-Infektion, Morbus Crohn) deutlich häufiger als Auslöser in Betracht – auch wenn die Symptome zu einer Shigellose passen. Liegt diese vor, lassen sich in einer Stuhlprobe Entzündungszellen und Blutzellen mikroskopisch nachweisen. Im Labor kann der Erreger durch bakteriologische Anzucht identifiziert werden.

Therapie: Wie lässt sich die Shigellose behandeln?

Grundsätzlich sollte eine Infektion mit Shigellen, aufgrund möglicher schwerer Verläufe und dem Risiko der Ansteckung anderer, antibiotisch behandelt werden. Mittel der Wahl ist der Arzneistoff Ciprofloxacin. Auch andere Antibiotika (zum Beispiel Azithromycin) kommen in Frage. Ein Problem ist die Entwicklung von Resistenzen gegen einzelne Antibiotika. Daher sollte vor Antibiotikagabe eine Resistenztestung des Erregers erfolgen. Insbesondere bei Reiserückkehrern aus Afrika oder Asien handelt es sich häufig um einen bereits gegen Antibiotika resistenten Keim. Die zielgerichtete Antibiotikagabe führt zu einer verminderten Keimausscheidung und einer verkürzten Krankheitsdauer.

Medikamente, die Durchfälle stoppen (zum Beispiel Loperamid), sollten Erkrankte nicht verwenden. Wichtig: Betroffene sollten ausreichend viel trinken, gegebenenfalls auch vorgefertigte Elektrolytlösungen. Die krampfartigen Bauchschmerzen können Patienten – in Absprache mit dem Arzt und wenn keine Gegenanzeigen bestehen – mit einem krampflösenden Medikament wie beispielsweise N-Butylscopolamin bekämpfen. In schweren Fällen ist ein Krankenhausaufenthalt unumgänglich. Insbesondere bei Patienten mit chronischen Grunderkrankungen, sehr alten oder sehr jungen Patienten sollte dann eine Flüssigkeitsgabe über eine Vene erfolgen, um den Flüssigkeits- und Salzverlust auszugleichen.

Für Reisende: Wer plötzlich an blutigen oder schleimigen Durchfällen mit Fieber leidet, sollte umgehend einen Arzt aufsuchen, der ein Antibiotikum verabreicht. Wichtig ist auch, den Flüssigkeits- und Salzverlust, welcher aufgrund wässriger Durchfälle entsteht, auszugleichen.

Vorbeugen: Wie kann man sich vor einer Shigellose schützen?

Der beste Schutz vor einer Infektion ist eine effektive Händehygiene – also regelmäßig die Hände gründlich mit Seife waschen und gegebenenfalls auch desinfizieren. Dies gilt insbesondere vor dem Zubereiten von Speisen und nach dem Toilettengang. Außerhalb von Entwicklungsländern ist das Risiko, an einer Shigellose zu erkranken, außerordentlich gering.

Shigellen sind für zirka fünf bis zehn Prozent der akuten Reisedurchfälle verantwortlich. Urlauber, die sich in entsprechenden Endemiegebieten in Afrika und Asien aufhalten, sollten unbedingt darauf achten, dass Speisen unter hygienischen Bedingungen zubereitet werden. Prinzipell gilt der alte Grundsatz: "Cook it, boil it, peel it or forget it!" - also koch es, brat es, schäl es oder vergiss es. Außerdem sollten sie nur sauberes Trinkwasser zu sich nehmen. Dies erfolgt am besten aus originalverschlossenen Flaschen, gegebenenfalls auch durch Filter, chemische oder ultraviolette Aufbereitung. Ein Impfstoff steht aktuell nicht zur Verfügung.

In Deutschland handelt es sich bei der Shigellose um eine meldepflichtige Erkrankung. Erkrankte und Personen, bei denen man eine Erkrankung vermutet, dürfen während sie ansteckend sein können, nicht in Gemeinschaftseinrichtung wie Schulen oder Kindergärten arbeiten. Eine Arbeitssperre gilt auch für Personen, welche in der Lebensmittelverarbeitung tätig sind.

Autor und Experte: Dr. med. Markus Frühwein

Autor und Experte: Dr. med. Markus Frühwein

Unser beratender Experte:

Unser Autor Dr. med. Markus Frühwein, hat eine eigene Praxis in München und ist Vorstand der Bayerischen Gesellschaft für Immun-, Tropenmedizin und Impfwesen e.V.

Quellen:

  • Robert Koch Institut (RKI), Shigellose. Online: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Shigellose.html (abgerufen am 30. Oktober 2019)
  • Robert Koch Institut (RKI), Infektionsepidemiologisches Jahrbuch meldepflichtiger Krankheiten für 2018, Shigellose, S. 214 ff, Online: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Jahrbuch/Jahrbuch_2018.pdf?__blob=publicationFile (abgerufen am 31. Oktober 2019)
  • European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC), Factsheet about shigellosis. Online: https://www.ecdc.europa.eu/en/shigellosis/facts (abgerufen am 31. Oktober 2019)

Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.