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Von einer Million Menschen in unserer Bevölkerung leiden 40 bis 70 an einer Akromegalie. Ursache ist zu viel Wachstumshormon im Blut. Die Erkrankung tritt meistens zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr auf. Häufig vergehen bis zu zehn Jahre von den ersten Kranheitszeichen bis zur Diagnose.

Das Wachstumshormon stammt aus der Hypophyse (Hirnanhangsdrüse). Zum Vergrößern auf die Lupe oben links klicken

Das Wachstumshormon stammt aus der Hypophyse (Hirnanhangsdrüse). Zum Vergrößern auf die Lupe oben links klicken

Grundsätzliches zum Wachstumshormon

Growth-Hormon (GH), Human Growth Hormon (HGH) Somatotropin, Somatotropes Hormon (STH): Hinter all diesen Namen verbirgt sich ein und derselbe Stoff, nämlich das menschliche Wachstumshormon. Das Wachstumshormon stammt aus der Hypophyse, also der Hirnanhangsdrüse. Es steuert Prozesse, die den Aufbau von Gewebe möglich machen.

Das Wachstumshormon beeinflusst das Gewebe nicht direkt, sondern wirkt über einen weiteren Botenstoff, den Insulin-like growth factor (IGF-I). Dieser Botenstoff wird unter der Einwirkung des Wachstumshormons vor allem in der Leber gebildet.

Wie viel Wachstumshormon die Hyopophyse bildet, ist ebenfalls von Botenstoffen abhängig. Diese Botenstoffe stammen aus dem Zwischenhirn, dem Hypothalamus. Der Stoff Growth-hormone-Releasinghormon (GHRH) führt zu einer verstärkten Ausschüttung von Wachstumshormon, der Stoff Somatostatin hemmt sie.

Ernährung und körperliche Aktivität beeinflussen den Regelkreis des Wachstumshormons. Ein hoher Blutzuckerspiegel oder freie Fettsäuren im Blut unterdrücken normalerweise wirksam die Ausschüttung des Wachstumshormons.

Wie kommt es zu einem Überschuss an Wachstumshormon?

Häufigste Ursache für einen Überschuss an Wachstumshormon sind Hypophysenadenome. Adenome sind gutartige hormonbildende Tumoren. Die Zellen in diesen Tumoren bilden das Wachstumshormon unabhängig von den oben beschriebenen Regelkreisen. Insbesondere lässt sich die Hormonbildung in den Adenomen auch nicht durch den normalen Regelkreis unterdrücken. Mit der Zeit entsteht ein krankmachender Überschluss an Wachstumshormon.

Adenome, die kleiner als einen Zentimeter sind, werden als Mikroadenome bezeichnet. Sind sie größer als einen Zentimeter, heißen sie Makroadenome. Ein Teil der Hypophysenadenome bildet neben Wachstumshormon auch Prolaktin. Extrem selten sind bösartige Tumoren die Ursache einer Akromegalie.

Was sind Symptome einer Akromegalie?

Die äußerlich sichtbaren Zeichen einer Akromegalie entstehen allmählich über Jahre und sind daher für die Betroffenen und die Menschen in ihrem Umfeld zunächst nicht so offensichtlich. Typischerweise werden Hände und Füße mit der Zeit größer. Irgendwann fällt den Betroffenen eine Zunahme ihrer Ringgröße, Schuhgröße und Hutgröße auf. Auch die Gesichtszüge verändern sich. Klassische Anzeichen sind wulstig aufgetriebene Ränder der Augenhöhle, ein hervortretendes Kinn, große Ohren und Nase und aufgeworfene Lippen.

Selten tritt ein Überschuss an Wachstumshormon bereits vor dem Abschluss des Längenwachstums auf, also bei Jugendlichen. Folge ist dann ein sogenannter Gigantismus. Das ist ein Riesenwuchs mit Körpergrößen über zwei Meter.

Menschen mit einer Akromegalie haben häufig unter Schmerzen der großen Gelenke und des Kiefergelenks zu leiden. Auch Kopfschmerzen mit Sehstörungen und eine Schweißneigung durch eine erhöhte Anzahl von Schweißdrüsen können auftreten.

Eine übermäßig große Zunge führt zu Artikulationsstörungen und zu einem Schlafapnoesyndrom. Das ist Schnarchen mit Atempausen im Schlaf. Durch das Wachstum des Kiefers kommt es zu Veränderungen der Zahnstellung, so dass die Betroffenen oft kaum noch kauen können.

Gravierende Folgen hat auch das Wachstum der inneren Organe (Viszeromegalie). Am Herzen führt sie zu undichten Herzklappen und Störungen des Herzrhythmus. Auch ein Bluthochdruck kommt häufig vor.

Weitere Folgen einer Akromegalie sind Fettstoffwechselstörungen und Insulinresistenz bis hin zum Diabetes. Diese Veränderungen erhöhen das Risiko für krankhafte Gefäßveränderungen. Die Betroffenen sind daher vor allem durch Komplikationen des Herz-Kreislauf-Systems gefährdet. Vor Einführung einer wirksamen Therapie waren diese mit 80 Prozent die häufigste Todesursache bei Menschen mit einer Akromegalie.

Wie stellt der Arzt die Diagnose einer Akromegalie?

Hat der Arzt den Verdacht auf einen Überschuss an Wachstumshormon, bestimmt er zunächst die Menge von GH und IGF-I im Blut.

Sind erhöhte Hormonspiegel im Blut messbar, erfolgt ein oraler Glukosetoleranz-Test. Bei dieser Untersuchung muss der Patient eine Traubenzuckerlösung mit insgesamt 75 Gramm Glukose trinken. Im Anschluss daran bestimmt der Arzt nach einer definierten Zeit den GH-Spiegel im Blut. Unter normalen Bedingungen unterdrückt der erhöhte Blutzucker die Auschüttung von GH. GH-Spiegel nach einer Glukosebelastung über einem Nanogramm pro Milliliter Blut beweisen eine ungesteuerte GH-Bildung (GH-Exzess). Nach so einem Testergebnis ist üblicherweise ein MRT notwendig. Meistens kann der Arzt mit dieser Untersuchung das auslösende Hypophysenadenom erkennen. GH-bildendes Gewebe außerhalb der Hypophyse gibt es kaum.

Zur vollständigen Diagnostik gehört auch die Bestimmung der anderen von der Hypophyse gebildeten und gesteuerten Hormone. Das sind zum Beispiel das Prolaktin und die Hormone der Nebennierenrinde. Nicht selten ist bei einem Hypophysenadenom die normale Hypophysenfuktion unzureichend.

Wie behandelt der Arzt eine Akromegalie?

Ziele der Behandlung sind: Komplikationen der Erkrankung vermeiden, örtliche Probleme durch das Hypophysenadenom (zum Beispiel Sehstörungen) beheben und die Hormonspiegel wieder in den Normbereich bringen. Zur Therapie eignen sich eine Operation des Hypophysenadenoms, bestimmte Medikamente und verschiedene Formen einer Strahlenbehandlung, entweder alleine oder in Kombinationen.

Wenn möglich, ist die Entfernung des Hypophysentumors durch eine Operation das Verfahren der ersten Wahl. Der Zugang für die Operation ist meist die Nase (transsphenoidaler Zugang). Am besten sind die Erfolge dieser Operation bei Mikroadenomen.

Es gibt unterschiedliche Medikamente, die der Arzt zur Behandlung einer Akromegalie verordnen kann. Die Somatostatin-Analoga hemmen – ebenso wie das körpereigene Somatostatin – die Ausschüttung von Wachstumshormon aus der Hypophyse. Diese Wirkstoffe können zum Beispiel eine Verkleinerung von Adenomen vor einer Operation bewirken. Sie kommen aber auch dann zum Einsatz, wenn die Hormonspiegel trotz Operation nicht im normalen Bereich liegen. Die Medikamente werden häufig mit Dopaminagonisten kombiniert. Das sind Wirkstoffe, die auch zur Behandlung eines Morbus Parkinson dienen können.

Neuere Medikamente sind GH-Rezeptorantagonisten. Diese Wirkstoffe verhindern, dass das Wachstumshormon im Körper seine Wirkung entfalten kann. Sie kommen dann zum Einsatz, wenn die Therapie mit Somatostatin-Analoga und Dopaminagonisten keine ausreichende Wirkung zeigt, oder die Betroffenen diese Medikamente schlecht vertragen.

Bringen auch GH-Rezeptorantagonisten keinen ausreichenden Behandlungsserfolg, versucht man, das Adenom mittels Hochpräzisionsbestrahlung anzugehen.

Sind noch weitere Maßnahmen nötig?

Den Erfolg der Behandlung kontrolliert der Arzt anhand der Messwerte für das Wachstumshormon im Blut vor und nach Glukosebelastung sowie anhand der Messwerte für das IGF-I.

Nach Operation und Strahlentherapie kann es zu einer Unterfunktion der Hypophyse kommen. Dann ist eine Substitutionsbehandlung, also eine Hormonersatztherapie erforderlich.

Unter der Behandlung mit Somatostatina-Analoga kann es zur Entwicklung von Gallensteinen kommen und unter GH-Rezeptorantagonisten zu einem Anstieg der Leberwerte. Entsprechende Kontrolluntersuchungen sind notwendig.

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Beratender Experte: Professor Dr. med. Günter K. Stalla

Professor Stalla ist Leiter der Abteilungen für Innere Medizin, Endokrinologie und Klinische Chemie des Max-Planck-Institutes für Psychiatrie in München. Daneben leitet er eine Forschungsgruppe für Klinische Neuroendokrinologie. Zu seinen wissenschaftlichen Schwerpunkten gehören die Neuroendokrinologie und Erkrankungen der Hypophyse. Er ist Mitglied in zahlreichen deutschen und internationalen Fachgesellschaften. Daneben ist er Mitbegründer und wissenschaftlicher Beirat einer Patientenselbsthilfegruppe für Hypophysenerkrankungen (www.hypophyse-muenchen.de). In dieser Eigenschaften ist er auch in der Veranstaltung regelmäßiger Fortbildungsmaßnahmen für Laien aktiv.

Quellen:

Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie, Akromegalie Stand 2004. Online: www.endokrinologie.net/akromegalie.php (Abgerufen am 20.08.2013)

Uniklinik Regensburg, Leitlinien zur Abklärung einer Akromegalie, Stand 17/2010. Online: www.uniklinikum-regensburg.de/imperia/md/content/kliniken-institute/innere-medizin-i/sops/endokrinologie/ed-akrom.pdf (Abgerufen am 20.08.2013)

MPI für Psychiatrie, Therapie der Akromegalie. Online: http://cme.medlearning.de/mpi/akromegalie_rez2/s3.htm (Abgerufen am 20.08.2013)

Herold G (Hrsg.), Innere Medizin, Köln 2012

Wichtiger Hinweis:

Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.