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Die Nachricht vom überraschenden Tod ihres Mannes traf Edith K., 65, mitten ins Herz. Sie rang nach Luft, ein stechender Schmerz durchfuhr ihren Brustkorb. Ein Herzinfarkt? Ihre Tochter packte sie ins Auto und brachte sie sofort ins nächste Krankenhaus. EKG und Blutwerte schienen den Verdacht zu bestätigen. Die Untersuchung mit dem Herzkatheter aber überraschte: kein verschlossenes Gefäß, nicht einmal gefährliche Engstellen. Ungewöhnlich war auch, was sich im Ultraschall zeigte: Die linke Herzkammer wirkte wie aufgebläht. Sie pumpte nur noch schwach. Die Vermutung der Ärzte: Die Trauer hatte das Herz der Frau überfordert. Fachleute sprechen auch vom Broken-Heart-Syndrom.

Broken-Heart-Syndrom betrifft meist Frauen

Das Syndrom des gebrochenen Herzens ist wohl das eindrücklichste Beispiel dafür, wie eng Herz und Seele verbunden sind. Fallberichte wie der von Edith K. sind selten – aber es gibt sie. Anlässe sind emotionale Ausnahmesituationen, der Tod eines geliebten Menschen, ein Unfall, manchmal auch übergroße Freude. Betroffen sind meist Frauen nach den Wechseljahren. Warum, ist unklar. Als sicher gilt dagegen, dass Stresshormone eine Rolle spielen, die bei Gefühlsextremen den Körper überfluten.

Wenn das Herz vor Trauer bricht...

Als Auslöser des Broken-Heart-Syndroms gilt akuter Stress. Wie viele Menschen betroffen sind, ist unklar. Untersuchungen in Deutschland zeigten: Bei Symptomen, die für einen Herzinfarkt typisch sind, lag in etwa 2,5 Prozent der Fälle ein Broken-Heart-Syndrom vor. Die meisten erholen sich wieder.

Auch wenn der Einfluss der Psyche nicht immer so klar ist wie beim Broken-Heart-Syndrom: Eine entscheidende Rolle spielt er auch bei anderen Herzerkrankungen – und sollte daher stets Teil der Therapie sein. „Es geht nicht um etwas mehr Wohlbefinden. Es geht knallhart ums Überleben“, sagt Professorin Christiane Waller, Leiterin der Klinik für psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Klinikum Nürnberg Nord. Als die Psychokardiologin Medizin studierte, glaubte man, alle Risikofaktoren für Herz und Kreislauf zu kennen: Bluthochdruck, zu hohe Blutzucker- und Cholesterinwerte, Veranlagung – und natürlich der Lebensstil. Heute weiß man, dass ein wichtiger Bereich fehlte: „Psychische und soziale Faktoren machen etwa ein Drittel des Risikos aus“, sagt Waller.

Stress schlägt mehr aufs Herz als Angst

Außer Depressionen ist es vor allem zwischenmenschlicher Stress, der ans Herz geht. „Hier sind wir Menschen am verwundbarsten“, sagt die Psychokardiologin. Seelische Verletzungen durch Missbrauch, Misshandlung oder Vernachlässigung wurzeln tief in der Seele und führen dazu, dass man später im Leben schlechter mit belastenden Situationen zurechtkommt.

Weniger eng ist die Verbindung offenbar bei Angsterkrankungen. Da das Herz in Panik geradezu rast, denken Betroffene zunächst oft an einen Herzanfall. Zum Glück ist dies aber meist unbegründet: Das Herzrasen ist Folge der Panik – nicht umgekehrt. Sich in einer Therapie mit den eigenen Ängsten zu konfrontieren, stellt für die Betroffenen keine Gefahr dar. Auch Reha-Experte Volker Köllner ist froh, dass er seine Patientinnen und Patienten beruhigen kann: „Wir können guten Gewissens sagen: Raus ins Leben! Das ist das Beste, was ihr für euer Herz tun könnt.“

Wenn die Herzangst krank macht...

In Panik schlägt das Herz schnell bis zum Hals. Menschen, die an Panikattacken leiden, suchen daher häufig zuerst eine kardiologische Praxis auf. Dort kann man abklären, ob tatsächlich das Herz hinter den Beschwerden steckt. Manche Betroffene entwickeln anfallsartig sogar heftige Beschwerden, die an einen Herzinfarkt denken lassen. Zudem sind sie davon überzeugt, die Beschwerden müssten eine körperliche Ursache haben. Fachleute sprechen von einer Herz-Neurose.

Doch warum wirkt unsere Psyche so unmittelbar auf das Herz? Christiane Waller forscht nach den Mechanismen, die dahinterstehen. So weiß man, dass traumatische Ereignisse die sogenannten Stress-Achsen, die die Ausschüttung von Stresshormonen regeln, dauerhaft verstellen können. Dies hat Effekte auf eine Reihe von Botenstoffen, unter anderem Cortisol. Nicht nur das Risiko für Bluthochdruck steigt. Auch das Immunsystem wird gehemmt. Das Blut gerinnt leichter, was Infarkte fördert. Überdies kommt es im Körper zu einer leichten, aber dauerhaften Entzündung, die auch bei Depressionen eine Rolle spielt. Von ihr weiß man, dass sie unter anderem gefährliche Ablagerungen in den Gefäßen fördert. Um genau zu verstehen, wie Stress wirkt, ist nach Wallner aber noch mehr Forschung nötig. Auch um irgendwann gezielt mit Medikamenten eingreifen zu können.

Zu wenig Motivation für gesundes Leben?

Das psychische Befinden wirkt darüber hinaus indirekt auf das Herz, nämlich über unser Verhalten. Wer sich niedergeschlagen fühlt, wenig Selbstwert empfindet, dem fällt es schwer, sich um seine Gesundheit zu kümmern. Wenn ohnehin alles sinnlos ist, wozu die Mühe? Köllner erinnert sich an eine Patientin, deren Fall er auch in seinem Buch „Mein Herz + meine Seele“ beschreibt. Sie hatte eine Herztransplantation hinter sich. Dennoch rauchte sie weiter. Ärztinnen und Ärzte, auch das Pflegepersonal, reagierten wütend. Wie konnte sie das lebensrettende Geschenk nur so wenig wertschätzen?

In therapeutischen Gesprächen offenbarte sich eine schwierige Lebensgeschichte. Schon als Kind war sie von ihren alkoholkranken Eltern vernachlässigt worden, war sexuellen Übergriffen ausgesetzt. In ihrer Ehe kam es erneut zu Gewalt. Nur selbstverständlich, dass sie auch in der Therapie Vorwürfe erwartete. „Ich sehe, Sie haben nie gelernt, sich um sich selbst zu kümmern. Wie sollten Sie das auch?“, sagte Köllner zu ihr. Die Frau reagierte gerührt. Sie begann eine Psychotherapie, lernte, sich selbst anzunehmen und fürsorglicher mit sich umzugehen – und gab schließlich auch das Rauchen auf.

Alternative Behandlungen für Herzkranke

Eine Psychotherapie ist allerdings nicht für jeden das Richtige. In Nürnberg sucht man nach alternativen Wegen, um psychisch be-lasteten Herzpatientinnen und -patienten einen möglichst hürdenlosen Zugang zu einer Behandlung zu ermöglichen. In Gesprächen versuchen Fachleute zunächst herauszufinden, ob die Psyche an der Erkrankung entscheidenden Anteil hat. Ist dies der Fall, bleiben die Patientinnen und Patienten nach einem Eingriff am Herzen auf derselben Station – und werden dort von einem mobilen Therapieteam weiterbetreut. Sie lernen ihr Herz positiv wahrzunehmen, üben Entspannungs- und Achtsamkeitstechniken, blicken aber auch auf ihre Lebensgeschichte. Warum habe ich überhaupt geraucht? Warum habe ich mich ungesund ernährt? Und: Was muss ich tun, um daran etwas verändern zu können? Wer darauf Antworten findet, ist einem herzgesunden Leben schon einen entscheidenden Schritt näher.