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Es gibt viele Formen von Herzrhythmusstörungen. Manche entstehen, weil es im Herz zu einer Art "Kurzschluss" kommt: Die Betroffenen besitzen anlagebedingt ein zusätzliches Leitungsbündel im Herz, das elektrische Impulse zwischen Vorhöfen und Kammern übertragen und auf diese Weise Herzrasen auslösen kann. Die häufigste Form solcher Rhythmusstörungen ist das Wolff-Parkinson-White-Syndrom (WPW-Syndrom).

Hintergrund: Wie funktioniert der normale Herzschlag?

Die Herzmuskelzellen arbeiten koordiniert: Erst ziehen sich die beiden Herzvorhöfe zusammen, pumpen das Blut in die Herzkammern. Daraufhin ziehen sich die Kammern zusammen und pumpen das Blut in den Kreislauf.

Für diesen reibungslosen Ablauf sorgen spezialisierte Herzzellen: Sie übertragen elektrische Impulse in einer festgelegten Reihenfolge an die Herzmuskelzellen (Erregungsbildung und Weiterleitung).

Die elektrischen Impulse für den normalen Herzrhythmus entstehen im Sinusknoten des rechten Herzvorhofs. Sie breiten sich im Vorhof aus. Danach werden sie über das Erregungsleitungssystem (AV-Knoten, His-Bündel) in die Herzkammern weitergeleitet. Der AV-Knoten hat eine Art Filterfunktion: Er leitet vorzeitige elektrische Impulse nicht oder zumindest nicht so schnell weiter.

Normalerweise breitet sich die elektrische Erregung ausschließlich von den Vorhöfen zu den Kammern aus. Mit der Kammererregung endet ein Herzschlagzyklus. Der nächste Impuls kommt wieder aus dem Sinusknoten.

Welche Veränderungen liegen einem WPW-Syndrom zugrunde?

Bei einem WPW-Syndrom geht im Bereich des Vorhofes (also oberhalb des AV-Knotens) zusätzlich zu dem normalen Reizleitungssystem ein weiteres Leitungsbündel ab. Es stellt eine zweite Verbindung zwischen Vorhof und Kammer her. Dieses zusätzliche Leitungsbündel kann verschiedene Probleme bereiten:

Unter bestimmten Umständen wird die elektrische Erregung aus der Herzkammer über das zusätzliche Bündel wieder in den Vorhof zurück geleitet. Von dort läuft sie über das normale Leitungssystem erneut in die Kammer, von dort wieder in den Vorhof und so fort. Man spricht dann von einer "kreisenden Erregung". Sie führt zu Herzrasen (Tachykardie) mit etwa 160 bis 240 Schlägen pro Minute. Der Fachausdruck lautet: Atrioventrikuläre Reentry-Tachycardie (AVRT). Sie beschreibt also einen schnellen Herzschlag, der durch den Wiedereintritt elektrischer Erregung aus der Kammer in den Vorhof ausgelöst wird.

Manchmal leitet das zusätzliche Leitungsbündel die elektrischen Impulse schneller als das normale Reizleitungssystem. Dann erfolgt die Erregung der Herzkammer vorzeitig über das Zusatzbündel. Diese vorzeitige Erregung heißt Präexzitation. In vielen Fällen läuft sie unbemerkt ab und ist harmlos. Gefährlich ist ein schnell leitendes zusätzliches Leitungsbündel jedoch dann, wenn gleichzeitig ein Vorhofflimmern besteht. Anders als der AV-Knoten, der die meisten elektrischen Impulse aus dem flimmernden Vorhof wie ein Filter abfängt, leitet das Zusatzbündel die meisten Impulse weiter in die Kammer. Das kann schlimmstenfalls zu einem Kammerflimmern führen. Das ist gleichbedeutend mit einem Herzstillstand.

Welche Beschwerden sind typisch für ein WPW-Syndrom?

Typisch für ein WPW-Syndrom sind Anfälle von Herzrasen, die schlagartig beginnen, und ebenso schlagartig wieder zu Ende sind. Sie können aus völliger Ruhe heraus entstehen. Nicht untypisch sind aber auch Anfälle bei Belastung, zum Beispiel beim Sport. Sie können sich in Form eines spürbaren Herzklopfens bemerkbar machen aber auch in Schwindel und Unwohlsein. Seltener kommt es zu einer kurzzeitigen Bewusstlosigkeit (Synkope). Ebenso wie bei anderen Formen von Herzrhythmusstörungen tritt nach dem Anfall häufig ein auffallender Harndrang auf.

Vor allem wenn Erkrankungen des Herzens bestehen, kann ein WPW-Syndrom auch mit verschiedenen anderen Formen von Herzrhythmusstörungen einhergehen.

Wie stellt der Arzt die Diagnose eines WPW-Syndroms?

Die wichtigste Untersuchung zur Abklärung von Herzrhythmusstörungen ist das Elektrokardiogramm (Herzstromkurve, EKG). Diese Untersuchung macht den Herzrhythmus und den Ablauf der elektrischen Erregung im Herzen in typischen Kurven sichtbar. Besonders aussagekräftig ist ein EKG während eines Anfalles von Herzrasen. Bestimmte Veränderungen können aber auch im anfallsfreien Intervall zu erkennen sein. Meist wird auch ein Langzeit-EKG angefertigt.

Mit einer sogenannten elektrophysiologischen Untersuchung ist es möglich, zusätzliche Leitungsbahnen zu orten und ihre Leitungseigenschaften untersuchen. Dabei führt ein Arzt Messsonden durch eine Vene (meist in der Leistenbeuge) ein und schiebt sie bis zum Herzen vor. Über diese Sonden kann er die elektrischen Herzströme direkt im Herzen messen. Mehr zu dieser Untersuchungsmethode lesen Sie im Text: Elektrophysiologische Untersuchung.

Wie behandelt der Arzt ein WPW-Syndrom?

Ziel der Behandlung ist es, akute Anfälle von Herzrasen zu unterbrechen und neue Anfälle zu verhindern.

Erstmaßnahmen bei Herzrasen durch ein bekanntes WPW-Syndrom sind Pressen oder Trinken von kaltem Wasser. Diese Maßnahmen stimulieren den Ruhenerv (Parasysmpathikus) und können manchmal das Herzrasen beenden.

Der Arzt kann die Herzrhythmusstörungen bei einem WPW-Syndrom unterbrechen, indem er ein bestimmtes Medikament (Ajmalin) in die Vene verabreicht. Die akute Behandlung der Herzrhythmusstörungen muss immer unter laufender EKG-Kontrolle erfolgen.

Wer bereits weiß, dass er ein WPW-Syndrom hat, sollte den Arzt darüber informieren. Verschiedene Medikamente, die bei anderen Arten von Herzrhythmusstörungen gut wirksam sind, können bei einem WPW-Syndrom problematisch sein. Dazu gehören Digitalis und Verapamil.

Weitere Anfälle von Herzrasen lassen sich oft durch eine Katheterablation verhindern. So heißt die Verödung der zusätzlichen Leitungsbahnen. Diese Methode wurde Mitte der 1980er Jahre eingeführt und gilt mittlerweile als das Verfahren der Wahl in der Therapie des WPW-Syndroms und verwandter Krankheitsbilder.

Wie läuft eine Katheterablation ab?

Wie bei einer elektrophysiologischen Untersuchung (siehe Abschnitt Diagnose) legt der Arzt eine Schleuse, also einen Plastikschlauch meist in die Leistenvene. Über diese Schleuse kann er die Behandlungssonden bis in den rechten Herzvorhof vorschieben. Die zu verödenden Leitungsbündel liegen oft im linken Vorhof. Dorthin gelangen die Behandlungssonden, nachdem der Arzt die Scheidewand zwischen dem rechten und dem linken Herzvorhof mit einer dünnen Nadel durchstochen hat. Sobald die Sonden an der richtigen Stelle liegen, kann die Verödungsbehandlung beginnen. Während der Behandlung überwacht der Arzt EKG und Blutdruck. Normalerweise ist dieser Eingriff mit einer örtlichen Betäubung möglich und nur mit einem kurzen Krankenhausaufenthalt verbunden.

In den meisten Fällen ist eine Verödung nur mit einem geringen Risiko behaftet. Sehr häufig lassen sich damit in einem Eingriff die Herzrhythmusstörungen dauerhaft beseitigen. Der Arzt berät im Vorfeld zu Vorteilen und möglichen Risiken.

Dr. med. Nicola Eberl

Dr. med. Nicola Eberl

Beratende Expertin: Dr. med. Nicola Eberl

Dr. Nicola Eberl, Fachärztin für Innere Medizin, Schwerpunkt Kardiologie, führt gemeinsam mit ihren Kollegen Dr. Fleckenstein und Dr. Pohl eine Gemeinschaftspraxis für Innere Medizin und Kardiologie im oberbayerischen Penzberg.

Quellen:


Herold, G, et al.: Innere Medizin, Köln Gerd Herold 2012

Chun KRJ, Schmidt B, Schulte-Hahn B et. al., Update Herzrhythmusstörungen in: Hessisches Ärzteblatt 4/12. Online: http://www.laekh.de/upload/Hess._Aerzteblatt/2012/2012_04/2012_04_04.pdf (Abgerufen am 02.10.2013)

Paul T, Gebauer R, Kriebel T et. Al., 21a Leitlinie der Pädiatrischen Kardiologie: Tachykarde Herzrhythmusstörungen, Stand August 2011. Online: http://www.kinderkardiologie.org/Leitlinien/13%20LL%20Tachykarde%20HerzrhythmusstoerungenAS.pdf (Abgerufen am 02.10.2013)

Wichtiger Hinweis:

Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.