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Das Herz rast, der Atem geht schnell, die Beine brennen. Egal wie schnell man läuft, es gibt kein Entrinnen. Mit jedem Schritt kommt der Verfolger näher und ...“ An dieser Stelle enden viele Albträume durch plötzliches Erwachen.

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„Verfolgt werden ist ein typisches Szenario“, sagt Professor Michael Schredl, wissenschaftlicher Leiter der Schlafforschung am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim. Zwar variieren die Details, thematisch aber ähneln sich die Albträume vieler Menschen stark.

Neben Verfolgung sind Verletzungen, Stürze ins Bodenlose, Zuspätkommen, Gelähmtsein, der eigene Tod oder der Verlust nahestehender Personen Klassiker nächtlichen Horrors. Begleitet von Gefühlen wie Angst, ­Ekel, Trauer, Schmerz oder Ärger. „Letztlich handelt es sich bei Albträumen um stark übertriebene Varianten von Ängsten, die uns auch wach umtreiben“, sagt der Schlafforscher.

Großer Leidensdruck

So spektakulär sie uns nachts auch aus dem Schlaf reißen, die Träume sind nichts Ungewöhnliches. Jeder hat sie gelegentlich – und meist sind sie schnell wieder vergessen. Für rund fünf Prozent der Bevölkerung sind sie jedoch ein echtes Problem. „Wer einmal pro Woche oder häufiger schlecht träumt, kann unter erheblichem Leidensdruck stehen“, sagt die Psychologin Dr. Annika Gieselmann von der Universität Düsseldorf.

Häufig auftretende oder sehr belastende Albträume fallen in den Bereich der Angststörungen. Ein zuverlässiges Anzeichen dafür ist, dass sie auch im Wachzustand nachwirken. Stimmung und Konzentration leiden, die Leistungs­fähigkeit nimmt ab und an erholsamen Schlaf ist nicht mehr zu denken.

Die gute Nachricht: Wie alle Angststörungen sind auch Albträume sehr gut behandelbar. Dies gilt wenigstens für idiopathische Albträume, die keine erkennbare Ursache haben. „Jedoch wissen das viele Betroffene nicht und denken, sie müssten ihr Schicksal einfach ertragen“, sagt Gieselmann.

Schredl bestätigt: „Albtraumstörungen werden oft bagatellisiert, nur ein Viertel der Betroffenen sucht sich Hilfe.“ Dabei gäbe es wirksame Methoden, allen voran die Imagery Rehearsal Therapy, kurz IRT. Sie arbeitet mit zwei klassischen Säulen der Angsttherapie: Konfrontation und Bewältigung. Patienten beschäftigen sich mit ihrem Traum, indem sie ihn aufschreiben, aufzeichnen, gedanklich nachspielen oder anderen davon erzählen.

Das Drehbuch umschreiben

Nach der Konfrontation gilt es, das Traumgeschehen zu verändern. Und zwar so, dass die Handlung ihren Schrecken verliert. „Man schreibt quasi das Drehbuch des Albtraums um“, erklärt die Psychologin. Dabei geht es vor allem um die Frage, mit welchen Mitteln man das Gefühl von Angst und Hilflosigkeit besiegen kann. Die Antwort darauf muss jeder für sich finden. Dem einen hilft die Vorstellung, dass ihm ein Helfer zur Seite steht – etwa ein Hund, ein Polizist, ein Freund. Oder wie wäre es mit eigenen Superkräften? Der andere entzaubert brenzlige Situationen lieber mit Humor oder Hilfsgegenständen.

So wirkt eine Riesenspinne mit roter Nase viel weniger furchteinflößend. Ein Bungee-Seil macht aus einem schlimmen Sturz eine Extrem­erfahrung. Auch Dunkelheit ist kein Problem, wenn man eine Taschenlampe dabeihat. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Einzige Einschränkung: „Man sollte eine aktive Strategie wählen, nicht etwa weglaufen oder sich verstecken“, rät Schredl.

Entspannung gegen Albträume

Ist die Handlung verändert, zählt vor allem die Wiederholung. Etwa zwei Wochen lang sollte man den Albtraum täglich mit dem neuen Drehbuch durchspielen. So lernt das Gehirn ein alternatives Verhaltensmuster, das später auch im Schlaf funktioniert. „Die meisten Träume verschwinden aber schon während der Wieder­holungsphase“, sagt Geiselmann. Geschätzt 70 Prozent der Betroffenen profitieren von dieser Methode.

Auch Entspannungsübungen können helfen. Denn die Wissenschaft hat Stress als einen Hauptauslöser für Angsträume identifiziert. „Je entspannter man lebt, desto seltener leidet man unter Albträumen“, bestätigt Schredl. Aber auch Medikamente können die Träume positiv beeinflussen, wie etwa Mittel gegen Bluthochdruck, Demenz oder Depressionen.

Manchmal sind auch psychische Erkrankungen beteiligt

Schwieriger wird es bei Albträumen, hinter denen psychische Erkrankungen stecken wie Depressionen, Angststörungen oder eine posttraumatische Belastungsstörung. Vor allem Traumata wie eine Vergewaltigung, sexueller Missbrauch, körperliche Misshandlung oder Kriegserlebnisse ziehen oft sehr belastende Träume nach sich und sollten von einem Psychiater oder einem Psychotherapeuten behandelt werden.

Der amerikanische Schlafforscher Ernest Hartmann entwickelte das Konzept der „dünnen Grenzen“. Es besagt, dass Menschen, die besonders sensibel, kreativ, empathisch und offen sind, häufiger unter Albträumen leiden. Vermutlich können sie sich schlechter von Stressoren abgrenzen.

Der Einfluss der Gene

Auch die Gene spielen eine Rolle, wie die Zwillingsforschung zeigt: Träumt ein Zwilling häufig schlecht, geht es dem eineiigen Geschwister meist genauso. Bei zweieiigen Paaren hingegen ist der Zusammenhang deutlich schwächer ausgeprägt.

Es sind Puzzleteile für einen Forschungsbereich, in dem noch viele Fragen offen sind. Wie und warum genau entstehen Albträume? Welche Funktion haben sie? Für Betroffene zählt dabei vor allem die Erkenntnis, dass sich niemand mit dem nächt­lichen Horror abfinden muss. Schredl: „Kein Albtraum ist so schrecklich, dass man ihm nicht entkommen könnte.“

Für Erwachsene mit schweren Albträumen gibt es beim Zentralinstitut für Seelische ­Gesundheit eine Sprechstunde: www.zi-mannheim.de