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Kurz zusammengefasst

Die Zwangsstörung (Zwangserkrankung) ist eine häufige psychische Störung. Betroffene haben den Zwang, immer wieder bestimmten Handlungen oder Gedanken zu folgen, obwohl sie diese als unsinnig oder belastend empfinden. Schamgefühle und Angstzustände sind eine Folge. Viele Betroffene ziehen sich zurück, ihr Leben ist stark eingeschränkt. Zwangsstörungen treten gehäuft innerhalb von Familien auf. Bei der Behandlung werden oft Medikamente, eine kognitive Verhaltenstherapie und Achtsamkeitsübungen kombiniert.

Was ist eine Zwangsstörung?

Ist die Tür wirklich zu? Einmal nachprüfen, reicht den meisten Menschen. Doch bei einer Zwangsstörung ist das Bedürfnis nach wiederholter Kontrolle so stark, dass es nicht unterdrückt werden kann. Der Betroffene muss mehrmals hintereinander kontrollieren, ob die Tür geschlossen ist. Ideen, Vorstellungen oder Impulse, etwas Bestimmtes zu tun, drängen sich immer wieder auf. Meist treten Zwangsgedanken und wiederkehrende Zwangshandlungen kombiniert auf.

Eine Zwangsstörung kann sich unterschiedlich zeigen:

  • Reinigungs- und Waschzwänge
  • Kontrollzwänge
  • Wiederhol- und Zählzwänge
  • Sammelzwänge
  • Ordnungszwänge
  • Zwangsgedanken
  • Zwanghafte Langsamkeit

Die Zwangserkrankung ist die vierthäufigste psychische Störung. Etwa zwei Prozent der Bevölkerung leidet im Laufe des Lebens unter Zwangsstörungen. Häufig zeigt sich erstmals eine Störung vor dem 30sten Lebensjahr. Im Kindesalter sind eher Jungen betroffen, im Erwachsenenalter haben Frauen ein höheres Risiko für eine Zwangsstörung.

Woran merkt man, dass man eine Zwangsstörung hat?

  • Betroffene müssen bestimmte Handlungen ausführen. Sie empfinden ihr Tun als sinnlos, widersinnig, übertrieben, unnötig, seltsam und störend, aber können den Drang nicht ignorieren.
  • Die Zwangshandlungen, -gedanken oder Zwangsimpulse treten seit mindestens zwei Wochen, und davon an den meisten Tagen auf.
  • Zwangsritual: Die Zwangshandlungen laufen stereotyp nach einem gleichen Muster ab. Will beispielsweise ein Betroffener kontrollieren, ob der Herd aus ist, berührt er jede Herdplatte einzeln in einer genau festgelegten Reihenfolge. Oft wird dabei gezählt und der Vorgang muss mehrmals wiederholt werden, wenn ein Fehler unterläuft. So entsteht ein komplexes Ritual, Betroffene haben das Bedürfnis, dieses jedes Mal exakt befolgen zu müssen.
  • Ordnung, Sauberkeit, Kontrolle oder Reinlichkeit sind die häufigsten Themen, die Menschen mit einer Zwangsstörung beschäftigen. Sie fürchten sich zum Beispiel vor einer unheilbaren Krankheit, Viren und Bakterien, wenn sie sich nicht mehrmals die Hände waschen oder sehr lange duschen.
  • Jegliche Art von Unordnung macht Menschen mit einer Zwangsstörung nervös und unzufrieden. Entsprechend viel Zeit verbringen sie täglich damit, ihre Ordnung penibel wieder herzustellen und zum Beispiel Kleidung zu sortieren.
  • Der Zwang lässt sich nicht unterdrücken, stattdessen wächst eine innere Unruhe. Zwangshandlungen dienen dazu, die Angst und Anspannung oder auch den Ekel abzubauen und sich wieder sicher zu fühlen. Dies gelingt nur kurzfristig. Stattdessen führt die Störung zu mehr Unsicherheit.
  • Es können sich auch Zwangsgedanken wie Ideen, Vorstellungen oder Impulse gegen den Willen des Betroffenen aufdrängen. Dazu können auch Gedanken gehören, einen Menschen zu verletzen oder zu töten. Das passiert nicht, aber der Gedanke wird als besonders quälend erlebt.
  • Betroffene zweifeln oft extrem an sich und mistrauen ihrer eigenen Wahrnehmung.
  • Betroffene müssen zum Beispiel Objekte in bestimmter Form anordnen, um so aus ihrer Sicht ein bestimmtes Schicksal abzuwenden (magisches Denken). Für Außenstehende sind diese Zusammenhänge zwischen einer Handlung und einem Ereignis schwer nachvollziehbar.
  • Zwangsgedanken lösen oft Angst und Scham aus. Betroffene versuchen deshalb, Situationen aus dem Weg zu gehen, in denen solche Gedanken auftreten könnten.


Was sind die Folgen einer Zwangsstörung?

Wird die Störung nicht therapiert, kann sie den Alltag erheblich beeinträchtigen. Betroffene sind dann den ganzen Tag damit beschäftigt, ihren Zwangshandlungen oder -gedanken nachzugeben. Sie vermeiden immer mehr Situationen, die einen Zwang auslösen könnten, und ziehen sich zurück. Schlimmstenfalls können sie nicht mehr das Haus verlassen oder einer geregelten Arbeit nachgehen.

Viele wissen nicht, dass eine Krankheit hinter ihren Beschwerden steckt. Statt einen Arzt um Rat zu fragen, schämen sich für ihr unsinniges Verhalten und versuchen, ihre Probleme zu verheimlichen. Es fällt immer schwerer, soziale Kontakte aufrechtzuerhalten. Familienangehörige und Freunde reagieren oft mit Unverständnis. Besonders betroffene Kinder und Jugendliche nehmen ihre Zwangsstörung nicht als Erkrankung wahr. Ihre soziale, emotionale und schulische Entwicklung leidet darunter.

Wie entstehen Zwangsstörungen?

Die genaue Ursache ist noch nicht erforscht. Eine erbliche Veranlagung wirkt mit psychologischen und biologischen Faktoren als Auslöser. Auch ein Ungleichgewicht der Botenstoffe im Gehirn wie Serotonin oder Dopamin wird als Ursache mitverantwortlich gemacht.

Weitere Ursachen und Auslöser können sein:

  • traumatische Erlebnisse wie sexuelle Übergriffe oder Gewalterfahrungen, die mit intensiver Angst und Ekel verbunden sind
  • Hirnverletzung, Schlaganfall oder Schädel-Hirn-Traumata
  • Autoimmunerkrankungen oder auch Infektionen in der Kindheit. Skandinavische Studien belegen, dass Kinder mit einem positiven Streptokokkentest zum Beispiel ein erhöhtes Risiko hatten, später an Zwängen oder Tics zu leiden.
  • die Geburt eines Kindes
  • anerzogene übertriebene Sauberkeit sowie ein ängstlicher Erziehungsstil. Körperliche und emotionale Vernachlässigung in der Kindheit, früher Verlust von Bezugspersonen wie der Tod eines Elternteils. Bei Betroffenen mit Sammelzwängen spielen oft Trennungs- und Verlustängste eine Rolle.
  • Mangelnde Toleranz gegenüber unangenehmen Gedanken und Gefühlen

Wie erkennt der Arzt oder die Ärztin eine Zwangsstörung?

Wenn Zwangshandlungen und -gedanken das Leben beeinträchtigen, sollten Betroffene Rat suchen bei Fachärztinnen und -ärzten für Psychiatrie und Psychotherapie, für Psychosomatische Medizin oder approbierte Psychologische Psychotherapeuten.

Im Gespräch und mithilfe von speziellen Fragebögen ermitteln sie die Form der Zwangsgedanken und -handlungen. Eine körperliche Untersuchung zeigt, ob organische Ursachen wie eine neurologische Erkrankung für die Symptome verantwortlich sind. Bildgebende Verfahren wie eine Magnetresonanztomographie (MRT) des Kopfes oder die Messung der elektrischen Aktivität des Gehirns helfen bei der Ausschlussdiagnose.

Die Abgrenzung zu anderen psychischen Störungen, bei denen häufig Zwangssymptome auftreten, ist schwierig. Sie werden dann zwar als belastend, meist aber nicht als überflüssig oder sinnlos wie bei einer Zwangsstörung empfunden. Andere psychische Störungen können als mögliche Begleiterkrankung auftreten. Dazu gehören:

Wie wird eine Zwangsstörung behandelt?

Die Therapie von Zwangsstörungen ist individuell und richtet sich nach Schwere und Art der Störung. Eine medikamentöse Therapie unter anderem mit Antidepressiva wird meist mit einer psychotherapeutischen Behandlung kombiniert. Die Therapie kann ambulant, teilstationär oder stationär in einer Klinik mit einem entsprechenden Schwerpunkt für Zwangsstörungen erfolgen.

Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) gilt als wirksame Behandlungsform bei Zwangsstörungen, wenn keine anderen schweren psychischen Störungen wie eine Psychose oder eine posttraumatische Belastungsstörung vorliegen. Der Betroffene setzt sich dabei unter Anleitung des Therapeuten schrittweise den Reizen oder Situationen aus, die üblicherweise seine Zwänge auslösen, und lernt dann alternative Möglichkeiten, darauf zu reagieren. Damit Patientinnen und Patienten das Gelernte später in ihren Alltag besser einbauen können, helfen begleitend internetbasierte Therapien.

Auch Achtsamkeitsübungen wie die Acceptance-Commitment-Therapy (ACT) oder die Mindfulness-based Stress-Reduction (MBSR) können hilfreich sein. Sie verbessern die Toleranz gegenüber den unangenehmen Gedanken und Gefühlen und senken das Stressgefühl.

Vollständig heilen lassen sich Zwangsstörungen oft nicht. Meist können die Zwänge aber auf ein erträglicheres Maß gebracht und die Lebensqualität so verbessert werden. Der Austausch in Selbsthilfegruppen ist oft auch für Angehörige hilfreich. Weiterführende Adressen und Informationen finden sich bei der Deutschen Gesellschaft für Zwangserkrankungen.

Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann eine ärztliche Beratung nicht ersetzen. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir keine individuellen Fragen beantworten.

Thema Psychologie