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Der Hyperparathyreoidismus (abgekürzt HPT) ist eine Funktionsstörung der Nebenschilddrüsen. Es kommt dabei zum Überschuss an Parathormon. Dadurch steigt der Kalziumspiegel im Blut an, über den Urin geht verstärkt Phosphat verloren. Die Krankheit wird auch als Nebenschilddrüsenüberfunktion bezeichnet.

Wo sitzen die Nebenschilddrüsen?

Die Nebenschilddrüsen sind circa erbsgroße hormonproduzierende Drüsen, die im Halsbereich hinter der Schilddrüse liegen. In der Regel besitzt der Mensch vier Nebenschilddrüsen, sie werden auch Epithelkörperchen genannt. Die Drüsen produzieren das Parathormon, das die Kalzium- und Phosphatkonzentration im Körper reguliert.

Was bewirkt das Parathormon?

Das Parathormon senkt über mehrere Mechanismen die Menge an Phosphat im Körper und erhöht die Menge an Kalzium im Blut. Kalzium wird dabei aus dem großen Kalziumdepot des Skeletts freigesetzt.

Diese beiden Mineralien sind am Knochenauf- und -abbau beteiligt. Wenn die Nebenschilddrüse normal funktioniert, befinden sich der Aufbau und der Abbau im Gleichgewicht. Beim Gesunden wird das Parathormon in den Blutkreislauf abgegeben, wenn der Blutkalziumspiegel vermindert ist, um diesen zu normalisieren. Bei einer Nebenschilddrüsenüberfunktion wird ständig Parathormon aus einer oder mehreren Nebenschilddrüsen ausgeschüttet.

Durch die Überfunktion der Nebenschilddrüsen erhöht sich der Kalziumspiegel im Blut, Phosphat wird aus den Knochen mobilisiert. "Das wiederum führt zu erhöhter Ausscheidung von Kalzium und Phosphat im Urin", erklärt Professor Dr. med. Jan Langrehr, Chefarzt der Klinik für Allgemein-, Gefäß- und Viszeralchirurgie. Mögliche Folge sind Steine und Ablagerungen in den Harnwegen und anderen Körperbereichen.

Ursachen: Wie kommt es zum Hyperparathyreoidismus?

Der sogenannte primäre Hyperparathyreoidismus ist neben der Zuckerkrankheit (Diabetes) eine der häufigsten hormonellen Erkrankungen. Wie kommt es zu einem primären HPT? "Diese Erkrankung entsteht, wenn sich eine gutartige Wucherung in der Nebenschilddrüse bildet, die der Kontrolle durch Hormone nicht mehr gehorcht und ungebremst Nebenschilddrüsenhormone produziert", sagt Langrehr.

In den meisten Fällen findet sich der gutartige Tumor, ein sogenanntes Adenom, nur in einer einzigen Nebenschilddrüse. Wesentlich seltener sind zwei oder mehr Nebenschilddrüsen betroffen.

Nebenschilddrüsenüberfunktionen auf Grund eines bösartigen Nebenschilddrüsentumors kommen auch vor, sind aber sehr selten (circa ein Prozent).

Was ist ein sekundärer HPT?

"Vom sekundären Hyperparathyreoidismus spricht man, wenn der Körper wegen anderer Erkrankungen Kalzium oder Phosphat verliert", erzählt Langrehr weiter. Ursache können zum Beispiel chronische Nierenerkrankungen oder entzündliche Darmerkrankungen sein. "Die Nebenschilddrüsen erhöhen dann die eigene Hormonproduktion, um durch die vermehrte Freisetzung von Kalzium und Phosphat aus dem Knochen den Verlust auszugleichen. Hier sind meist alle Nebenschilddrüsen betroffen", erläutert der Spezialist für Chirurgie.

"Besteht ein sekundärer Hyperparathyreoidismus länger, kann er sich verselbstständigen und unterliegt dann nicht mehr der hormonellen Steuerung durch den Körper. Dann produzieren die Nebenschilddrüsen unkontrolliert Hormone und man nennt das den tertiären Hyperparathyreoidismus", sagt Langrehr.

Beratender Experte: Professor Dr. med. Jan Langrehr, Facharzt für Allgemein-, Gefäß- und Viszeralchirurgie, Chefarzt der Klinik für Allgemein-, Gefäß- und Viszeralchirurgie im Martin-Luther-Krankenhaus, Berlin

Beratender Experte: Professor Dr. med. Jan Langrehr, Facharzt für Allgemein-, Gefäß- und Viszeralchirurgie, Chefarzt der Klinik für Allgemein-, Gefäß- und Viszeralchirurgie im Martin-Luther-Krankenhaus, Berlin

Wie äußert sich eine Überfunktion der Nebenschilddrüse?

"Am Beginn der Nebenschilddrüsenüberfunktion zeigen sich meist keine charakteristischen Symptome", weiß Langrehr. Die Patienten leiden an unspezifischen Beschwerden wie Knochenschmerzen, Müdigkeit und Abgeschlagenheit. Weitere Zeichen können hoher Blutdruck, gesteigertes Durstgefühl und häufiges Wasserlassen, Verstopfung und Gewichtsverlust sein.

Die Symptome entstehen durch die veränderten Kalzium- und Phosphatkonzentrationen im Blut. Durch den Überschuss der Mineralien können sich Nierensteine bilden, bei längerem Bestehen können auch Funktionseinschränkungen der Niere, mit oder ohne Verkalkungen, auftreten. Im Magen-Darm-Trakt macht sich der Kalziumüberschuss durch Übelkeit, Erbrechen und Magengeschwüre bemerkbar.

Der Überschuss an Parathormon sorgt für einen vermehrten Abbau von Knochensubstanz. Die Patienten leiden daher unter Wirbelsäulen- und Gliederschmerzen, es treten auch häufiger Knochenbrüche auf.

"Man sagt auch klassischerweise die Symptome des Hyperparathyreoidismus sind Stein-, Bein- und Magenpein", erklärt Langrehr. Diese Beschwerden kommen allerdings heute aufgrund von häufigeren Blutbildkontrollen und früher Diagnose nur noch selten vor.

Diagnose: Wie wird die Erkrankung diagnostiziert?

"Heute wird die Erkrankung oft bei Routineuntersuchungen des Blutes entdeckt oder vermutet", sagt der Facharzt für Chirurgie.

Typisch für eine primäre Überfunktion der Nebenschilddrüse sind ein erhöhter Kalziumwert, ein erniedrigter Phosphatwert und ein hoher Parathormonspiegel. Beim sekundären Hyperparathyreoidismus ist der Kalziumspiegel meist erniedrigt und der Parathormonspiegel sehr hoch.

Die weitere komplette Abklärung, die auch eine Bestimmung des Kalziums im 24-Stunden-Harn beinhalten sollte, wird in der Regel vom Internisten oder Endokrinologen (Hormonspezialisten) durchgeführt. Hierzu gehört auch eine Ultraschalluntersuchung und eine Szintigrafie der Schilddrüse. Eine Prüfung der Nierenfunktion hilft bei der Unterscheidung zwischen primärem und sekundärem Hyperparathyreoidismus.

Therapie: Wie wird behandelt?

"Wenn die Diagnose Hyperparathyreoidismus gestellt ist, sollte trotz anfänglicher ‚Symptomarmut’ unbedingt behandelt werden, da die Spätschäden oft nicht mehr rückgängig zu machen sind", mahnt Langrehr. Zu den Spätschäden zählen Organschäden wie Gefäßverkalkung, Nierenverkalkung und Knochenschädigung.

"Der primäre Hyperparathyreoidismus wird nur mit der Operation behandelt. Andere erfolgreiche Methoden als die Entfernung des Nebenschilddrüsenadenoms gibt es zur Zeit nicht," erklärt der Chirurg. Beim sekundären Hyperparathyreoidismus steht zunächst die Behandlung der Grundkrankheit im Vordergrund. "Ist dies nicht möglich, muss auch hier eine operative Therapie angestrebt werden", sagt Langrehr. "Dies gilt letztlich auch für den tertiären Hyperparathyreoidismus, nur dass hier die Behandlung der Grunderkrankung keine Besserung mehr erbringt."

"Die Operation wird in erfahrenen Zentren unter Vollnarkose über kleine Hautschnitte im Halsbereich vorgenommen", erzählt Langrehr. Dabei werden die vergrößerten Nebenschilddrüsen entfernt, meistens handelt es sich nur um eine einzige.

"Ist nur ein Nebenschilddrüsenadenom zu entfernen, kann meist ein minimal-invasiver Eingriff durchgeführt werden", erzählt Langrehr aus seiner Praxis. Sind alle vier Nebenschilddrüsen beteiligt, wird ein Hautschnitt wie bei der Schilddrüsenoperation notwendig.

Wie bei jeder Operation gibt es auch bei Eingriffen an den  Nebenschilddrüsen Risiken, zum Beispiel Blutungen, Infektionen oder –  sehr selten – Verletzungen des Stimmbandnerven. Der Arzt wird im Vorfeld  ausführlich darüber aufklären.

Nach der Operation muss der Patient noch einige Tage in der Klinik bleiben, um den Kalziumspiegel zu überwachen. Es kann sein, dass in den ersten Tagen Kalzium über die Vene (intravenös) verabreicht werden muss, bis sich wieder ein Gleichgewicht des Mineralstoffhaushaltes einstellt.

Nachkontrollen sind notwendig

Nach dem Krankenhausaufenthalt sollten auf alle Fälle regelmäßig Blutwert-Kontrollen erfolgen. Da bei der Operation Nebenschilddrüsengewebe im Körper verbleibt, kann in äußerst seltenen Fälle die Nebenschilddrüsenüberfunktion wieder auftreten.

Quellen:

1. Uniklinik Innsbruck – Endokrine Chirurgie
http://www.chirurgie-innsbruck.at/univ_klinik_fuer_chirurgie/schwerpunkte/endokrine_chirurgie/nebenschilddruesenerkrankungen_    hyper_hypoparathyreoidismus.html (Abgerufen 05.09.2013)

2. Deutsche Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Leitlinie Primärer Hyperparathyreoidismus, Stand 01.2010

3. Universitätsklinikum Marburg - Visceral- Thorax- und Gefäßchirurgie:   Patienteninformation Primärer Hyperparathyreoidismus (pHPT)
http://www.ukgm.de/ugm_2/deu/umr_ach/12235.html (Abgerufen 06.09.2013)

4. Hormone und Hormonsystem: Lehrbuch der Endokrinologie, Bernhard Kleine, Winfried Rossmanith, 2. Auflage, Heidelberg, Springer Verlag, 2010

5. Praxisbuch Endokrinologie und Stoffwechsel, Christoph Auernhammer, Dieter Engelhardt, Burkhard Göke, Klaus Parhofer, 1. Auflage, München, Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, 2004

Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.