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Verletzungen hinterlassen Spuren. So bildet sich bei jeder Verwundung der Haut eine mehr oder weniger gut sichtbare Narbe, die lebenslang bestehen bleibt. Meist ist das nur ein ästhetisches Problem. Doch es gibt Fälle, da wachsen Narben über die ursprüngliche Wunde hinaus und verbreiten sich als wulstige Wucherungen auf dem gesunden Hautgewebe.

Die tumorartigen Geschwülste können im Extremfall die Größe eines Fußballs erreichen. Während der Volksmund bildhaft von Wulstnarben spricht, nennen Mediziner die häufig schmerzenden oder juckenden Gebilde Keloide. Sie sind die Folge eines krankhaften Heilungsprozesses und sollten medizinisch behandelt werden.

Neigung zu wucherndem Narbengewebe wird vererbt

"Die Wundheilung beruht auf einer fein austarierten Balance zwischen dem Auf- und Abbau von Bindegewebe", erklärt Privatdozent Dr. Gregor M. Bran, Leiter des Zentrums für plastische und rekonstruktive Kopf- und Halschirurgie an der Dr. Horst Schmidt Klinik Wiesbaden. Er erforscht die Entstehung von Keloiden. Gerät der Vorgang aus dem Gleichgewicht, kommt es zu einer Fehlentwicklung in die eine oder andere Richtung.

Bildet sich zu wenig Narbengewebe über der Verletzung, hinterlässt dies chronisch offene Wunden. Bei überschießender Gewebeproduktion können sich dagegen Keloide bilden. Was sich dabei auf der molekularen Ebene genau abspielt, sei aber bislang kaum verstanden, räumt Bran ein.

Nach heutigem Wissensstand bringt eine erbliche Veranlagung die Narben zum Wuchern. "Bei genetisch vorbelasteten Menschen reicht manchmal bereits eine minimale Wunde wie etwa ein Mückenstich dafür aus, dass ein Keloid entsteht", erklärt Bran. Die krankhaften Narben bilden sich nicht von allein zurück. "Werden sie nicht behandelt, wuchern sie immer weiter", sagt Professor Ulrich Mrowietz von der Universitäts-Hautklinik in Kiel.

Behandlung von Keloiden je nach Größe

Allerdings ist die Therapie schwierig und erfordert viel Zeit und Geduld. Oft müssen mehrere Methoden zusammen angewendet werden, bis sich Erfolge zeigen. Die Behandlung richtet sich am einzelnen Patienten aus. Kleinere Keloide versorgen Ärzte meistens ohne Skalpell, größere entfernen sie chirurgisch. Anschließend behandeln sie die Haut mit Kortison, Silikon-Gel und -Folie oder mit Druck. Das Einspritzen von Kortisonkristallen in das Narbengewebe ist die wichtigste Basistherapie. Sie soll das Wachsen der Narbe hemmen.

Eine weitere Behandlungsmöglichkeit sind Silikon- Gele und -Folien, die mehrere Monate lang auf die Narben aufgetragen oder aufgelegt werden. Wie sie wirken, ist noch nicht genau geklärt. Vermutlich blockiert die Silikonschicht die Abgabe von Wasser und Wärme durch die Haut. Als Folge wird das Narbengewebe besser durchblutet und umgebaut.

Therapie sollte früh beginnen

Wichtig sei es, betont Mrowietz, möglichst früh mit der Behandlung zu beginnen. Das gilt auch für die Drucktherapie. Bei dieser Methode üben spezielle Kompressionssysteme ständig Druck auf die Narbe aus. Das soll ihr Wachstum vermindern und sie schneller abflachen lassen. Je nach Lage der Narbe stehen dem Patienten individuell angefertigte Kompressionsbandagen und -schienen zur Verfügung.

Besonders belastend für Patienten sind Keloide im Gesichts- und Halsbereich sowie an den Ohren. Da Keloide oft an der Ohrmuschel entstehen, entwickelten Bran und seine Kollegen ein neues Behandlungsschema, bei dem nach der chirurgischen Entfernung des Keloids und Injektion von Kortikosteroiden ein neues Kompressionssystem zum Einsatz kommt. Die von dem Heidelberger Epithetiker Jörn Brom speziell für das Ohr entwickelte Kompressionsschiene (Epithetiker entwickeln Körperersatzstücke oder individuelle Hilfsmittel, zum Beispiel für den Gesichtsbereich) ist durch ein Magnetsystem leicht anzubringen. "Bei Patienten, die die Schienen über einen längeren Zeitraum regelmäßig nachts tragen, schlägt die Behandlung sehr gut an", berichtet PD Dr. Gregor M. Bran.

Arzt muss geschickt kombinieren

Eine weitere Behandlungsvariante ist die Kryo- oder Vereisungstherapie mit Flüssigstickstoff. Durch die Kälte stirbt das Gewebe ab. "Allerdings besteht dabei die Gefahr, die Haut zu verletzen, was neue Keloide hervorrufen kann", warnt Mrowietz. Röntgenstrahlen ergänzen das Therapiespektrum, das dem Arzt zur Verfügung steht. Für den einzelnen Patienten die richtigen Methoden auszuwählen erfordert einiges Kombinationsgeschick.

Viele Betroffene denken, es reiche aus, die Geschwulst einfach herausschneiden zu lassen. Dazu erläutert Experte Ulrich Mrowietz: "Jede Operation führt zu einer neuen und größeren Narbe. Daher ist eine rein chirurgische Entfernung ohne Anschlusstherapie sinnlos und der Schaden, der dabei entsteht, noch größer als zuvor."

PD Dr. Gregor M. Bran

PD Dr. Gregor M. Bran

Beratender Experte: Privatdozent Dr. Gregor M. Bran, Leiter des Zentrums für plastische und rekonstruktive Kopf- und Halschirurgie in der Dr. Horst Schmidt Klinik Wiesbaden

Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.