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Was ist eine Hämochromatose?

Bei einer Eisenspeicherkrankheit (Hämochromatose) reichert sich zu viel Eisen im Körper an. In den meisten Fällen steckt die Ursache in den Erbanlagen: Durch eine Genveränderung ist die Eisenaufnahme im Darm gestört. Der Körper nimmt mehr Eisen auf als ihm gut tut. Die erhöhten Eisenmengen können Gelenke und Organe schädigen.

Etwa 10 Prozent der nordeuropäischen Bevölkerung tragen eine Genveränderung für Hämochromatose in ihrem Erbgut – doch gleichzeitig besitzen sie auch eine "gesunde" Kopie des betreffenden Gens. In der Fachsprache werden sie als heterozygote Träger bezeichnet. Sie bleiben in der Regel gesund, können die Anlage zur Krankheit aber an ihre Kinder weitergeben. 0,3 bis 0,5 Prozent der Bevölkerung sind homozygote Träger: Bei ihnen sind beide Genkopien verändert. Diese Menschen können an Hämochromatose erkranken.

Deutlich seltener ist die Eisenüberladung Folge anderer Krankheiten. Man spricht dann von "sekundärer Hämochromatose".

Warum kommt es zu der gesteigerten Eisenaufnahme?

Normalerweise nimmt der Organismus nur so viel Eisen aus der Nahrung auf, wie täglich  verloren geht – circa 1 bis 1,5 Milligramm pro Tag. Gesteuert wird die Eisenaufnahme durch Rückkopplung aus der Leber über den Eiweißstoff Hepcidin.

Liegt eine Veränderung (Mutation) am sogenannten HFE-Gen vor, wird zu wenig Hepcidin gebildet. Die Rückkoppelung aus  der Leber ist nicht möglich. Der Darm nimmt ungebremst Eisen auf. Das  können dann bis zu vier Milligramm Eisen am Tag sein.

Die Menge an Gesamtkörpereisen – normalerweise höchstens vier Gramm – ist erhöht. Sie kann auf bis zu 20 Gramm oder mehr ansteigen.

Sekundäre Formen der Eisenüberladung kommen unter anderem bei einer Störung der Hämoglobinbildung vor, zum Beispiel bei Thalassämie oder  sideroblastischer Anämie. Häufige Bluttransfusionen können zur Eisenüberladung führen, denn Eisen ist in roten Blutkörperchen enthalten.

Zu viel Eisen im Körper – was sind die Folgen?

Sind die Eisenspeicher des Körpers voll, lagert sich das überschüssige Eisen im Gewebe verschiedener Organe ab. Mit der Zeit wird das Organgewebe durch die Eisenablagerung zerstört und durch funktionsloses Bindegewebe (Narbengewebe) ersetzt. Mediziner sprechen von Fibrose. Es kommt zu einer eingeschränkten Organfunktion bis hin zum Organversagen.

Besonders betroffen sind Leber und Bauchspeicheldrüse, aber auch Herzmuskel, hormonbildende (endokrine) Drüsen wie die Hypophyse und Schilddrüse sowie die Gelenke. In späten Stadien kann sich die Hautpigmentierung durch Ablagerung von Melanin und Eisen verstärken (Bronzefärbung).

Welche Beschwerden und Symptome können auftreten?

Das Vorliegen einer Genveränderung macht zunächst keine Beschwerden. Symptome treten meistens erst im Erwachsenenalter (im vierten bis sechsten Lebensjahrzehnt) auf. Einige Patienten bleiben trotz einer Eisenüberladung beschwerdefrei.

Bei jungen Frauen kommt es durch die Regelblutung zu regelmäßigen Eisenverlusten. Das kann den Erkrankungsverlauf bis zum Beginn der Wechseljahre abmildern.

Mögliche erste Symptome sind Schwäche, Müdigkeit und unklare Gelenkbeschwerden – typischerweise an den Grundgelenken des zweiten und dritten Fingers. Diese Symptome sind jedoch unspezifisch, können auch andere Ursachen haben, so dass sie nicht sofort an eine Hämochromatose denken lassen. Selten kommt es zu einer sichtbaren Veränderung der Hautfarbe (Bronzetönung).

Im weiteren Verlauf  können die Leberwerte ansteigen, die Leber vergrößert sich. Ohne rechtzeitige Therapie entsteht eine Leberzirrhose und – als Spätkomplikation – ein Leberzellkarzinom (hepatozelluläres Karzinom).

In fortgeschrittenen Stadien können auch andere Organe Schaden nehmen. Das verursacht weitere Beschwerden:

  • Durch die Funktionsstörung der Bauchspeicheldrüse kann unter anderem ein Diabetes mellitus (eine "Zuckerkrankheit") entstehen.
  • Bei Eisenablagerung im Herzmuskel drohen eine Herzschwäche und schwerwiegende Herzrhythmusstörungen.
  • Eine Schädigung der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) führt häufig zu einem Testosteronmangel mit verminderter Libido bei Männern und vorzeitigen Wechseljahren bei Frauen.
  • Auch eine Osteoporose (bei Männern und Frauen) tritt im Zusammenhang mit Hämochromatose häufiger auf.

Diagnose: Wie kann man die Erkrankung erkennen?

Besteht der Verdacht auf eine Hämochromatose, ist die Bestimmung der Eisenmenge im Körper wegweisend. Der Arzt misst dazu den Eisenspiegel im Serum sowie die Transferrinsättigung (bzw. die ungesättigte Eisenbindungskapazität). Transferrin transportiert das Eisen im Blut. Außerdem bestimmt der Mediziner die Konzentration des Eisenspeichers Ferritin (Serumferritinkonzentration).

Ist die Transferrinsättigung über 45 Prozent und die  Serumferritinkonzentration gleichzeitig über 200 µg/l (Mikrogramm pro  Liter) bei Männern und über 150 µg/l bei Frauen, so spricht das mit hoher Wahrscheinlichkeit für eine Hämochromatose.

Die Laborwerte müssen aber immer in der Zusammenschau beurteilt  werden. Ist beispielsweise nur der Ferritinwert auffällig, kann das auch  andere Ursachen haben.

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Die genannten Eisenparameter sind nicht Teil einer Routine-Blutuntersuchung. Deshalb kann es durchaus passieren, dass eine Hämochromatose längere Zeit unentdeckt bleibt – obwohl gelegentlich schon aus anderen Gründen Blut abgenommen und untersucht wurde.

Vor allem im fortgeschrittenen Krankheitsstadium sind weitere Untersuchungen nötig, um das Ausmaß möglicher Organschäden abzuschätzen. Dazu zählen bildgebende Verfahren wie Computertomografie (CT), Magnetresonanztomografie (MRT) und Organfunktionstests.

Therapie: Wie behandelt man eine Hämochromatose?

Die Behandlung ist relativ einfach, kann aber für den einzelnen Patienten anstrengend sein. Durch wiederholte Aderlässe werden die überfüllten Eisenspeicher geleert.

Zu Beginn der Aderlass-Therapie werden im ein- bis zweiwöchigen Rhythmus zirka 500 Milliliter Blut abgelassen – bis der Serumferritinwert unter 50  µg/l liegt. Bei fortgeschrittener Erkrankung oder später Diagnose kann das ein bis zwei Jahre dauern.

In der anschließenden Erhaltungsphase ist üblicherweise nur noch etwa alle drei Monate ein Aderlass notwendig, um den Zielbereich von 50 – 100 µg/l Ferritin zu halten.

Alternativ kann auch die sogenannte Erythrozyten-Apherese eingesetzt werden, die effektiver als der Aderlass, allerdings nicht überall verfügbar ist. Nur in den Fällen, in denen kein Aderlass möglich ist (zum Beispiel bei schwerer Blutarmut oder Herzschwäche) kommen Medikamente zum Einsatz, die Eisen binden können (Chelatbildner, zum Beispiel Deferoxamin oder Deferasirox). Die Behandlung durch Aderlässe ist effektiver und nebenwirkungsärmer als die medikamentöse Therapie. Wird die Diagnose vor dem Eintreten von Organschäden gestellt, kann der Betroffene auch zur Blutspende zugelassen werden.

Die Ernährung spielt eine untergeordnete Rolle in der Behandlung der Hämochromatose. Vitamin C erhöht die Eisenaufnahme, schwarzer Tee hemmt sie. Der Genuss von Innereien, Blut- und Leberwurst sollte reduziert werden. Nahrungsergänzungsmittel sollten frei von Eisen und Vitamin C sein. Außerdem rät man Patienten von Alkoholkonsum ab, da dieser das Risiko für eine Leberzirrhose deutlich steigert.

Begleitend ist je nach Fall eine symptomatische Behandlung notwendig  – zum Beispiel die Therapie eines Diabetes oder einer Herzschwäche. Bei fortgeschrittener Leberzirrhose oder einem Leberzellkrebs kann eine Lebertransplantation angebracht sein.

Prognose der Hämochromatose

Bei frühzeitiger Diagnose und konsequenter Therapie (Aderlass oder Blutspende) haben Patienten eine normale Lebenserwartung und es treten  in der Regel keine Folgeschäden auf.

Ist die Erkrankung schon fortgeschritten, bessern sich die meisten Symptome unter der Behandlung. Davon ausgenommen sind Gelenkprobleme. Häufig betreffen sie zahlreiche Gelenke (Handgelenke, Finger, Hüfte,  Knie, Sprunggelenke), die teilweise sogar durch künstliche Gelenke ersetzt werden müssen. Die Gelenkschmerzen führen oft zu einer deutlichen Einschränkung der Lebensqualität.

Wer nahe Verwandte mit Hämochromatose hat, lässt sich am besten beraten, ob ein Gentest Sinn macht

Wer nahe Verwandte mit Hämochromatose hat, lässt sich am besten beraten, ob ein Gentest Sinn macht

Gentest auf Hämochromatose

Mit den Messwerten für Serumeisen, Ferritin und Transferrin stehen dem Arzt Parameter zur Verfügung, die bereits Hinweise auf eine Eisenspeicherkrankheit geben, bevor sich Eisen erkennbar im Gewebe ablagert.

Gesichert wird die Diagnose durch eine Genotypisierung. Wird die Erkrankung bei einem Betroffenen festgestellt, ist eventuell ein genetisches Screening bei seinen Familienangehörigen (besonders seinenGeschwistern) sinnvoll. Betroffene sollten sich dazu am besten vom Arzt beraten lassen.

Aufgrund ihrer Häufigkeit und Behandelbarkeit erfüllt die Hämochromatose die WHO-Kriterien für ein Bevölkerungsscreening (also eine Art Reihen-Suchtest, eine Reihenuntersuchung der gesamten Bevölkerung). Noch ist jedoch nicht eindeutig geklärt, wie viele Menschen mit einer entsprechenden Genveränderung auch tatsächlich erkranken. Es bliebe also offen, welche Bedeutung ein auffälliger Gentest für den einzelnen Menschen hätte. Dieses Thema wird in Expertenkreisen kontrovers diskutiert, ein allgemeines genetisches Screening ist bislang nicht üblich.

Manche Experten empfehlen, die Eisenparameter Transferrin-Sättigung und Ferritin bei Männern ab 40 Jahren und bei Frauen ab 50 Jahren zur Routine-Untersuchung zu machen. Derzeit übernimmt die gesetzliche Kasse jedoch die Kosten für solche Bluttests nur dann, wenn ein besonderer Anlass besteht.

Können Betroffene auch Blut spenden?

Im Mai 2015 wurde vom Gesundheitsministerium ein Votum zur Blutspendetauglichkeit von Hämochromatose-Betroffenen verabschiedet (nachzulesen hier auf den Seiten des Robert Koch-Insituts). Hämochromatose-Patienten oder heterozygote C282Y-Merkmalsträger sind demnach nicht automatisch von der Blutspende ausgeschlossen. Sie müssen jedoch den allgemeinen Kriterien zur Tauglichkeit als Spender entsprechen.

Nach den Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Richtlinie Hämotherapie) ist als Blutspender geeignet, wer sich nach ärztlicher Beurteilung in einem gesundheitlichen Zustand befindet, der eine Blutspende ohne Bedenken zulässt. Dies gilt sowohl im Hinblick auf den Gesundheitsschutz des Spenders als auch für die Herstellung von möglichst risikoarmen Blutkomponenten und Plasmaderivaten (nachzulesen hier auf den Seiten der Bundesärztekammer) .

Prof. Dr. med. Martina Müller-Schilling

Prof. Dr. med. Martina Müller-Schilling

Beratende Expertin

Univ.-Professor Dr. med. Martina Müller-Schilling ist Direktorin der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I (Gastroenterologie, Endokrinologie, Infektiologie und Rheumatologie) am Universitätsklinikum Regensburg. Die wissenschaftlichen und klinischen Schwerpunkte der Klinik sind die Gastroenterologie, die Behandlung von Lebererkrankungen, die Lebertransplantation, die Infektiologie, die Behandlung von Tumorerkrankungen sowie die internistische Intensivmedizin und die Endoskopie. Weitere Informationen unter www.ukr.de.

Quellen:

AASLD guideline - 2011 Diagnosis and Management of Hemochromatosis: 2011 Practice Guideline by the American Association for the Study of Liver Diseases Bruce R. Bacon, Paul C. Adams, Kris V. Kowdley, Lawrie W. Powell and Anthony S. Tavill

Stanley L Schrier, MD, Bruce R Bacon, MD, "Clinical manifestations and diagnosis of hereditary hemochromatosis", ed. UpToDate. Waltham, MA: UpToDate Inc. http://www.uptodate.com (Abgerufen im September 2018)

Herold G u. Mitarb: Innere Medizin, Köln 2017 Gerd Herold

Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.

Mehr Infos im Netz unter:

Hämochromatose-Vereinigung Deutschland e.V.