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Gehirnabszess - kurz zusammengefasst

Gelangen Krankheitserreger in das Hirn, können sie es infizieren. Dabei kann es zu einer örtlichen Entzündung kommen. Sammelt sich dadurch Eiter in einer Art Kapsel an und bildet einen neuen Hohlraum im betreffenden Gewebe, sprechen Mediziner von einem Hirnabszess. Bei den Krankheitserregern handelt es sich meist um Bakterien. In vielen Fällen wandern die Keime von einem anderen Infektionsherd (Ohr, Nase, Zahnwurzel) ins Gehirn ein. Manchmal dringen die Bakterien auch über das Blut ins Gehirn ein. Sehr selten stellen offene Kopfverletzungen oder Operationen am Gehirn die Ursache dar. Die Symptome sind zunächst meist unspezifisch und können sich in Leistungs- und Konzentrationsschwäche sowie Fieber und Nackensteifigkeit äußern. Auch Lähmungen und epileptische Anfälle sowie zunehmende Kopfschmerzen können auftreten. Die Diagnose wird durch bildgebende Verfahren (cCT, cMRT) und dem Erregernachweis im Blut und Infektionsherd gesichert. Die Therapie ist meist eine Kombination aus einer Operation und Antibiotikagabe.

Was ist ein Gehirnabszess?

Ein Abszess im Gehirn ist eine örtlich umschriebene (lokale) Entzündungsreaktion im Gehirn. Durch das Eindringen von Krankheitserregern in das Gehirn kommt es zunächst zu einer Entzündung im Gewebe (fokale Enzephalitis). Im weiteren Verlauf kann die Entzündung zu einer Eiteransammlung in einer durch Bindegewebe gebildeten Kapsel führen. Diese neu enstandenen, eitergefüllten Hohlräume werden als Abszesse bezeichnet.

Ein Gehirnabszess ist selten, kann aber lebensgefährlich werden. Die Anzahl jährlich neu aufgetretener Erkrankungen (Inzidenz) wird mit 0,3 bis 1,3 Fälle pro 100 000 Personen angegeben.

Anatomie der Hirnhäute und ihrer Zwischenräume

Anatomie der Hirnhäute und ihrer Zwischenräume

Gehirnabszess - Wo im Gehirn können Abszesse auftreten?

Prinzipiell kann ein Abszess (abgekapselte Eiteransammlung) in jeder Gehirnregion auftreten. Unterschieden wird dabei je nach Ort des Auftretens, ähnlich wie bei Blutungen,  zwischen einem epiduralen, subduralen und intrakraniellen Abszess.

Die epi- und subduralen Abszesse sind selten, meist finden sich die  eitergefüllten, abgekapselten Herde direkt im Gehirngewebe (intrakraniell).

Epidurale / Subdurale Lage

Liegt der Abszess über der harten Hirnhaut (Dura mater) spricht der Mediziner von einer epiduralen Lage (epi- griechisch: auf, darüber) - er befindet sich zwischen harter Hirnhaut und dem Schädelknochen.

Liegt der Abszess unter der harten Hirnhaut nennt man dies subduralen Lage (sub- lateinisch: unter, unterhalb) - er befindet sich zwischen der harten Hirnhaut und der das Gehirn umgebenden weichen Hirnhaut (Pia mater).

Intrakranielle Lage

Der Abszess befindet sich in der Hirnsubstanz

Streptokokken, wie hier abgebildet, stellen mit die häufigsten Auslöser eines Hirnabszesses dar

Streptokokken, wie hier abgebildet, stellen mit die häufigsten Auslöser eines Hirnabszesses dar

Ursachen und Risikofaktoren: Wodurch kommt es zu Gehirnabszessen?

Zu einem Hirnabszess kommt es, wenn Krankheitserreger in das Gehirn eindringen. Meist geschieht dies über den Blutweg oder von nahegelegenen Infektionesherden (Nachbarschaftsprozesse). Das heißt, im Körper liegt eine Entzündung an einer anderen Stelle vor, die Krankheitserreger werden mit der Blutbahn weiter verteilt und dringen dann über die Blut-Hirn-Schranke in das Gehirn ein.  Zu diesem Infektionsort wandern nun körpereigene Abwehrzellen sowie Botenstoffe  und lösen eine Entzündung aus. Dabei kann sich Eiter bilden, der unter  anderem aus abgetöteten Krankheitserregern, Abwehrzellen und zerstörten  Gewebszellen besteht. Wird der Eiter im betreffenden Hirngewebe in einer  Art Kapsel eingeschlossen, wodurch ein neuer Hohlraum entsteht, handelt  es sich um einen Gehirnabszess. Er kann sich prinzipiell in jeder  Hirnregion bilden.
Meistens stellen Bakterien die Ursache dar.  Streptokokken, Bacteroides- und Pseudomonas-Arten zählen zu den  häufigsten Erregern. Streptokokken verursachen normalerweise eher Infektionen, die das Ohr oder die oberen Atemwege betreffen. Zum Beispiel eine Nasennebenhöhlenentzündung (Sinusitis) oder eine Mittelohrentzündung (Otitis media). Die anderen Keime können ebenfalls den Atemtrakt  befallen. Auch eine bakteriell  bedingte Entzündung im Bereich der Zahnwurzeln kommt als Ursprungsort  infrage.

Manchmal lösen jedoch auch Pilze einen Hirnabszess aus. Noch seltener dringen Bakterien direkt durch eine Kopfverletzung (offenes Schädel-Hirn-Trauma) oder im Rahmen einer Operation ins Gehirn ein.
Wer ein eingeschränktes Immunsystem hat, trägt ein höheres Risiko an einem Hirnabszess zu erkranken. Die  körpereigene Abwehr ist beispielsweise beeinträchtigt, wenn jemand Medikamente einnehmen muss, die das Immunsystem unterdrücken (Immunsuppressiva) oder bei Menschen mit AIDS.

Müde und unkonzentriert? Halten solche Beschwerden an, sollten Sie einen Arzt aufsuchen

Müde und unkonzentriert? Halten solche Beschwerden an, sollten Sie einen Arzt aufsuchen

Symptome: Welche Beschwerden bereiten Gehirnabszesse?

Die Symptome, die auf einen Abszess im Gehirn hinweisen,  sind eher unspezifisch: Je nachdem, welche Hirnareale betroffen sind,  können Krampfanfälle (epileptische Anfälle) oder Empfindungsstörungen  auftreten. Auch über Gedächtnisprobleme und Konzentrationsschwäche berichten Patienten. Im Verlauf können  weitere neurologische Beschwerden hinzukommen, wie halbseitige  Lähmungen. Mediziner sprechen dabei von sogenannten "neurologischen  Herdsymptomen".
Erst später, wenn der Abszess größer ist und mehr Raum beansprucht, kommt es vielfach zu Kopfschmerzen, die auch länger anhalten und zunehmen. Dazu treten oft Übelkeit und Erbrechen auf. Diese Beschwerden gelten als sogenannte "Hirndruckzeichen".

Anzeichen, die deutlicher für eine Entzündung sprechen, sind zum Beispiel Fieber oder ein steifer Nacken. Fieber tritt bei zirka 50 Prozent der Betroffenen auf.

Wichtig: Ein Hirnabszess wird häufig durch einen Entzündungsherd außerhalb des Gehirns ausgelöst. Kommt es beispielsweise in Folge einer Nasennebenhöhlen-, einer  Mittelohrentzündung oder einer entzündeten Zahnwurzel zu obigen Symptomen, sollten Betroffene dies unbedingt von einem Arzt abklären lassen. Dies gilt umso mehr für Menschen mit einer geschwächten Immunabwehr.
Ein Eiterherd im Gehirn kann lebensgefährlich werden. Besonders dann, wenn sich die Entzündung ausbreitet oder die Abszesskapsel auf andere Hirnregionen drückt.

Durch eine Magnet-Resonanz-Tomografie lässt sich auch das Gehirn bildlich darstellen

Durch eine Magnet-Resonanz-Tomografie lässt sich auch das Gehirn bildlich darstellen

Diagnose: Wie werden Hirnsabzesse festgestellt?

Das wichtigste Verfahren zum Nachweis eines Gehirnabszesses stellt die Magnet-Resonanz-Tomografie (MRT) des Schädels dar. Auch durch eine Computertomographie des Schädels (cCT) können Abszesse nachgewiesen werden. Bei unklaren Befunden kann bei beiden bildgebenden Verfahren die Gabe von Kontrastmittel in eine Vene sinnvoll sein, um eine genauere Differenzierung der Befunde zu ermöglichen. Durch diese Diagnosemethode (cMRT) mit Kontrastmittel kann der Arzt sogar Rückschlüsse  auf das Abzessstadium ziehen. Allerdings lässt sich ein Abszess in seltenen Fällen nur schwer von einem Hirntumor abgrenzen, insbesondere dem Glioblastom.

Ergänzend erfolgen Blutuntersuchungen. Hierbei können Entzündungsparameter, wie beispielsweise das sogenannte C-reaktive Protein (CRP),  bestimmt werden. In 60 bis 90 Prozent der Fälle findet sich eine Erhöhung dieses Wertes. Prinzipiell  lässt sich auch der Krankheitserreger nachweisen. Die Erregeridentifikation geschieht durch  eine Blutkultur oder eine direkte Entnahme von Abszessinhalt. Beide Nachweismethoden liefern jedoch kein hundertprozentig  sicheres Ergebnis – weder wenn sie "positiv" noch "negativ" ausfallen.

Eine ausführliche körperliche Untersuchung ist ebenfalls wichtig. Hierbei wird auch auf mögliche Infektionsquellen geachtet, wodurch ergänzende Untersuchungen der Zähne, der Hals- und Rachenregion und der Gehörgänge erfolgen. Konnte kein entzündlicher Prozess in der Nachbarschaf festgestellt werden, muss die Diagnostik auch weiter entfernte Ursprungsquellen wie Lunge, Herz, Haut oder Knochen abklären. Die Fokussuche (Ursprungsherd) sollte vor einem neurochirurgischen Eingriff erfolgen, damit die Abszesse und gegebenenfalls auch gleich die Infektursache in einem behoben werden können. Auch müssen Risikofaktoren für eine Immunschwäche, wie HIV (Humanes Immunschwäche-Virus) oder Diabetes mellitus abgeklärt werden.

Wer einen Abszess im Gehirn hat, muss normalerweise für längere Zeit Antibiotika einnehmen

Wer einen Abszess im Gehirn hat, muss normalerweise für längere Zeit Antibiotika einnehmen

Therapie: Wie werden Gehirnabszesse behandelt?

Steht fest, dass es sich um einen Gehirnabszess handelt, bekommt der Patient im Normalfall über mehrere Wochen (in der Regel vier bis acht Wochen)  Antibiotika verabreicht, die den auslösenden Krankheitserreger abtöten  sollen. Die Behandlung erfolgt zunächst immer im Krankenhaus (stationäre Aufnahme).
Zusätzlich erfolgt meist ein neurochirurgischer Eingriff, am häufigsten die sogenannte Abszess-Aspiration. Der Operateur saugt dabei durch eine  Öffnung in der Schädeldecke die Eiterflüssigkeit ab. Dieser Eingriff  ist auch dann von besonderer Bedeutung, wenn der behandelnde Arzt vorher  nicht endgültig klären konnte, ob es sich um einen Abszess oder einen  Tumor handelt.

Je nachdem, wo sich die Entzündung befindet und wie groß  der Abszess ist, wird manchmal auch ein größerer Eingriff nötig.

Daneben kommen – je nach Bedarf – Medikamente zum Einsatz, die gegen die Krampfanfälle helfen (Antikonvulsiva) oder  eine übermäßige Schwellung im Gehirn (Hirnödem) eindämmen  (Kortisonpräparate).

Dr. Frank Huber

Dr. Frank Huber

Beratender Experte:

Dr. med. Frank Huber ist Facharzt für Neurologie sowie Arzt für  Nervenheilkunde und trägt die Zusatzbezeichnung Chirotherapie. Er ist  Chefarzt der Klinik für Neurologie am Klinikum St. Marien in Amberg und  sitzt auch im Ethikkomitee des Krankenhauses. Huber ist Mitglied in der  Deutschen Gesellschaft für Neurologie und referiert regelmäßig in der  Öffentlichkeit , unter anderem über das Thema Schlaganfall.

Quellen:

  • Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN), Leitlinie: Hirnabszess (gültig bis 21. Februar 2021). Online: https://www.dgn.org/leitlinien/3247-030-108-hirnabszess-2016 (abgerufen am 5. Februar 2019)

Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.