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Was ist ein bullöses Pemphigoid?

An einem bullösen Pemphigoid erkranken überwiegend Menschen, die älter  als 60 Jahre sind. Männer sind etwas häufiger betroffen als Frauen.

Das bullöse Pemphigoid zählt zu den Autoimmunkrankheiten: Die Ursache liegt in einer Art Fehler des körpereigenen Abwehrsystems (Immunsystems). Es greift bestimmte Bestandteile der Haut an.

In der Folge bilden sich pralle Blasen an der Haut und seltener auch an der Schleimhaut. Bei manchen Patienten sind nur angeschwollene Rötungen und Knoten sichtbar. Häufig leiden die Betroffenen an starkem Juckreiz.

Welche Ursache hat das bullöse Pemphigoid?

Kommt unser Abwehrsystem (Immunsystem) mit Bestandteilen von Krankheitserregern  in Kontakt, bildet es bestimmte Eiweißmoleküle (Antikörper). Diese sind  im Blut nachweisbar und tragen dazu bei, die fremden Stoffe zu beseitigen.

Manchmal bildet das Abwehrsystem jedoch "irrtümlich" Antikörper, die gegen körpereigene Strukturen gerichtet sind. Sie werden  Autoantikörper genannt.

Bei bullösem Pemphigoid bildet der Körper quasi aus Versehen Antikörper (im Bild gelb) gegen Bestandteile der Haut

Bei bullösem Pemphigoid bildet der Körper quasi aus Versehen Antikörper (im Bild gelb) gegen Bestandteile der Haut

Im Fall des bullösen  Pemphigoids entstehen Autoantikörper gegen zwei  bestimmte Eiweißmoleküle in der Haut. Sie befinden  sich  natürlicherweise an der Grenzfläche zwischen der  Oberhaut  (Epidermis)  und der darunter liegenden Lederhaut (Dermis) und  sind für  den  mechanischen Zusammenhalt der beiden Hautschichten  verantwortlich.

Diese beiden Eiweißmoleküle heißen:

  • bullöses Pemphigoid-Antigen 1
    (BPAg1, auch BP230) und
  • bullöses Pemphigoid-Antigen 2
    (BPAg2, auch BP180).

Binden diese Autoantikörper an ihre Zielstrukturen in der Haut, kommt es zu einer Entzündung. Sie kann sich in Form von juckenden Rötungen und Schwellungen bemerkbar machen. Entzündungszellen setzen an der Grenzfläche zwischen Oberhaut und Lederhaut Enzyme frei, die die Verbindung zwischen diesen Hautschichten andauen. Auf diese Weise entstehen Spalten unmittelbar unterhalb der Oberhaut (subepidermal). Gewebsflüssigkeit dringt in die Spalträume ein und erweitert sie zu prallen Blasen.

Früher wurde vermutet, dass Krebserkrankungen das Auftreten eines bullösen Pemphigoids begünstigen könnten. Heute weiß man, dass Patienten mit einem bullösen Pemphigoid nicht häufiger an bösartigen Tumoren leiden als andere Menschen in derselben Altersgruppe.

Symptome: Wie macht sich ein bullöses Pemphigoid bemerkbar?

Bei den meisten Patienten treten zunächst scharf begrenzte, teilweise angeschwollene Rötungen und gerötete Knoten auf. Diese jucken sehr stark.

Erst nach Wochen oder Monaten, bei manchen Patienten auch erst nach Jahren, kommen Blasen hinzu. Diese entstehen zumeist auf geröteter Haut, können jedoch auch auf normal aussehender Haut auftreten. Sie sind manchmal nur wenige Millimeter klein sein, können aber auch Durchmesser von einem bis zwei Zentimetern oder mehr erreichen. Im Inneren der Blasen befindet sich klare, leicht gelblich gefärbte Gewebsflüssigkeit. Gelegentlich ist auch etwas Blut beigemengt.

Die Decke der Blasen besteht beim bullösen Pemphigoid aus der gesamten Dicke der Oberhaut. Daher sind die Blasen prall und vergleichsweise widerstandsfähig gegen mechanische Belastungen. Falls sie trotzdem eröffnet werden, entstehen nässende, gelegentlich auch leicht blutende, oberflächliche Hautdefekte (Erosionen).

Im voll ausgeprägten Stadium der Krankheit bestehen Rötungen und Schwellungen, gerötete Knoten, Blasen und Erosionen nebeneinander.

Wo zeigen sich die Hautveränderungen?

Die Hautveränderungen eines bullösen Pemphigoids können am ganzen Körper auftreten. Besonders häufig entstehen sie im Bereich von

  • Bauch
  • Achselhöhlen
  • Leisten
  • Innenseiten der Oberschenkel
  • Beugeseiten der Arme.

Nur bei jedem fünften Patienten ist auch die Mundschleimhaut oder die Augenbindehaut betroffen. Die Schleimhautveränderungen heilen beim bullösen Pemphigoid ohne Narben ab.

Falls ein bullöses Pemphigoid nicht ausreichend behandelt wird, treten schubweise immer wieder neue Hautveränderungen auf. Bei manchen Patienten heilt die Erkrankung nach einigen Jahren aus, so dass dann keine Therapie mehr erforderlich ist.

Oft aufschlussreich: Die Untersuchung einer Gewebeprobe unter dem Mikroskop

Oft aufschlussreich: Die Untersuchung einer Gewebeprobe unter dem Mikroskop

Diagnose: Wie stellt der Arzt ein bullöses Pemphigoid fest?

Der Arzt fragt den Betroffenen nach seiner Vorgeschichte und untersucht die gesamte Haut mit dem bloßen Auge.

Anschließend entnimmt er aus erkrankter Haut eine Gewebeprobe  (Biopsie) zur mikroskopischen Untersuchung, um andere Hautkrankheiten auszuschließen. Im Falle einer frischen Blase ist dabei ein Spalt im  Gewebe sichtbar. Wenn dieser unmittelbar unter der Oberhaut, an der  Grenze zur Lederhaut (subepidermal) liegt, passt der Befund zu einem  bullösen Pemphigoid. Befindet sich der Spalt hingegen innerhalb der  Oberhaut (intraepidermal), liegt eher kein bullöses Pemphigoid, sondern  eine Pemphigus-Erkrankung vor.

Zur weiteren Abklärung veranlasst der Arzt eine Spezialuntersuchung an einer zweiten Hautprobe: Mit  Hilfe der direkten  Immunfluoreszenz-Untersuchung (DIF) sind Antikörper nachweisbar, die an  Strukturen innerhalb der Haut gebunden haben. Im Falle eines bullösen  Pemphigoids sieht man lineare Ablagerungen von Antikörpern der IgG-Klasse entlang der Grenze zwischen Oberhaut und Lederhaut.

Zusätzlich lässt der Arzt im Blut des Patienten nach Autoantikörpern  gegen die Eiweißmoleküle BP180 und BP230 fahnden. Eine Kontrolle der  Antikörper gegen BP180 kann auch im weiteren Verlauf sinnvoll sein, da  die Menge dieser Antikörper in direktem Verhältnis zur aktuellen  Krankheitsaktivität des bullösen Pemphigoids steht.

Dr. med. Angela Unholzer ist Hautfachärztin mit Zusatzbezeichnungen Allergologie und Dermatohistologie

Dr. med. Angela Unholzer ist Hautfachärztin mit Zusatzbezeichnungen Allergologie und Dermatohistologie

Behandlung: Was hilft bei bullösem Pemphigoid?

Äußerliche Therapie: In leichten Fällen kann eine rein äußerliche Behandlung mit einem Kortisonpräparat (Glukokortikoid) die Hautveränderungen zur Abheilung bringen. Allerdings kommt es in der Regel immer wieder zu neuen Schüben mit Hautveränderungen an anderen Stellen. Daher hat es sich bewährt, bereits beginnende Rötungen – nach Anweisung des Arztes – mit der Glukokortikoid-Creme zu behandeln. Bei vielen Patienten kann so die Entstehung neuer Blasen verhindert werden.

Tabletten: Sind größere Hautflächen betroffen sind und/oder treten ständig neue Blasen auf, verordnet der Arzt zusätzlich ein Glukokortikoid in Form von Tabletten. Diese Akuttherapie zeigt meist schon nach einigen Tagen einen deutlichen Effekt. Sobald sich der Arzt sicher ist, dass die bestehenden Hautveränderungen abheilen und keine neuen Blasen auftreten, beginnt er damit, die Tabletten-Dosis schrittweise zu reduzieren. Bei vielen Betroffenen kann das Medikament so irgendwann ganz abgesetzt werden. Gelegentlich ist eine Dauertherapie mit einer niedrigen, für den Körper verträglichen Glukokortikoid-Dosis erforderlich.

Weitere Therapiemöglichkeiten

Patienten, die zu Beginn der Krankheit zahlreiche Blasen aufweisen, benötigen oft auch eine Dauerbehandlung mit einem so genannten kortisonsparenden (oder auch steroidsparenden) Medikament. Hierunter versteht man ein antientzündlich wirksames Arzneimittel, das über einen längeren Zeitraum gegeben werden kann, dessen Wirkung aber verzögert einsetzt. Als alleinige Behandlung oder auch in Kombination mit einem Glukokortikoid in Form von Tabletten hilft es dabei, einem erneuten Krankheitsschub vorzubeugen.

Als steroidsparendes Medikament kommt unter anderem Doxyzyklin in Betracht. Dieser Wirkstoff ist als Antibiotikum bewährt, zeigt aber in einer niedrigen Dosierung, die noch nicht gegen Bakterien wirksam ist, bereits antientzündliche Effekte. Alternativ kann Dapson gegeben werden, im Falle eines schwereren bullösen Pemphigoids auch Azathioprin. Während der Behandlung führt der Arzt regelmäßig Blutentnahmen durch, um sicher zu gehen, dass der Patient das Medikament auch langfristig gut verträgt.

Patienten, bei denen die Kombinationstherapie aus einem Glukokortikoid und einem Immunsuppressivum nicht ausreichend wirksam ist, können zusätzlich eine Infusionsbehandlung mit speziellen körpereigenen Eiweißsubstanzen (Immunglobulinen) erhalten. Dabei handelt es sich um eine Mischung von Antikörpern aus dem Blut zahlreicher Menschen, die in vierwöchigen Abständen in hoher Dosierung verabreicht wird. Diejenigen Bestandteile, die die Antikörper miteinander gemeinsam haben, binden an bestimmte Strukturen (Rezeptoren) an der Oberfläche von verschiedenen Zellen des Immunsystems. Dabei beeinflussen sie in komplexer Weise die Aktivitäten dieser Zellen, unterdrücken die Entzündungsreaktion in der Haut und hemmen die Bildung von Autoantikörpern.

Wenn auch diese Behandlung nicht stark genug wirkt, kombiniert der Arzt die Therapie mit einem Glukokortikoid und einer steroidsparenden Substanz mit einer speziellen Blutwäsche. Dabei werden die Autoantikörper aus dem Blut des Patienten entfernt. Die betreffenden, sehr aufwändigen Verfahren werden Plasmapherese bzw. Immunadsorption genannt. Patienten mit einem besonders schweren bullösen Pemphigoid können alternativ die Substanz Rituximab erhalten. Diese zerstört die Antikörper bildenden Immunzellen und damit auch diejenigen Zellen, die für die Autoantikörper gegen BP180 bzw. BP230 verantwortlich sind.

Hinweis: Einige der genannten Arzneimittel sind nicht offiziell für die Behandlung des bullösen Pemphigoids zugelassen. Arzt und Patient müssen also gemeinsam ausführlich besprechen, ob die Therapie im Einzelfall trotzdem infrage kommt, welche Risiken bestehen und welche Nebenwirkungen auftreten können.

Ganz wichtig: Juckende Rötungen und Blasen an Haut oder Schleimhaut können zahlreiche Ursachen haben. Nicht immer handelt es sich um ein bullöses Pemphigoid. Veränderungen an Haut oder Schleimhaut deshalb grundsätzlich vom Arzt abklären lassen!

Einordnung und Krankheitsname

Das bullöse Pemphigoid ist die häufigste Erkrankung innerhalb der Gruppe der blasenbildenden Autoimmundermatosen. Unter diesem Begriff werden unterschiedliche, zumeist chronisch verlaufende Autoimmunkrankheiten zusammengefasst, die durch Blasenbildung an Haut und/oder Schleimhäuten gekennzeichnet sind.

Die Bezeichnung 'bullöses Pemphigoid' leitet sich ab vom lateinischen Wort bullosus "blasig" sowie den griechischen Wörtern pemphix für "Blase" und eides "ähnlich sein".

Quellen:
Akademos Wissenschaftsverlag: http://derma.akademos.de (Abruf: 08/2012)
Zillikens, D.: Blasenbildende Autoimmundermatosen. Vortrag im Rahmen der 23. Fortbildungswoche für praktische Dermatologie und Venerologie, München 25.07.2012
Pschyrembel Klinisches Wörterbuch. De Gruyter, Berlin 2012

Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.