Logo der Apotheken Umschau

Botulismus – kurz zusammengefasst

Botulismus ist eine Erkrankung, welche durch Stoffwechselprodukte bestimmter Bakterien (meist Clostridium botulinum) hervorgerufen wird. Diese Stoffwechselprodukte sind die Botulinum Neurotoxine, eine Gruppe nah verwandter und funktionell ähnlicher Toxine. Botulinum Neurotoxine sind hochwirksame Gifte, welche farb- und geruchlos sind und daher nicht erkannt werden können. Erste Anzeichen einer Vergiftung können Kopfschmerzen, Mundtrockenheit, Übelkeit und Erbrechen sein. Auch Seh-, Schluck- und Sprachstörungen können auftreten.

Später können symmetrisch verteilte Muskellähmungen hinzukommen, welche meist im Kopfbereich beginnen und sich fußwärts ausbreiten. Im Verlauf kann es auch zu einer Lähmung der Atemmuskulatur und dadurch zum Tod des Patienten kommen. Daher ist eine schnellstmögliche Überwachung auf einer Intensivstation nötig. Bereits bei Verdacht auf Botulismus erfolgt die Gabe von einem Gegengift (Antitoxin). Bei Atemproblemen ist eine künstliche Beatmung nötig, welche zum Teil über mehrere Monate erfolgen muss.

Auslöser der Erkrankung ist meist das Bakterium Clostridium botulinum

Auslöser der Erkrankung ist meist das Bakterium Clostridium botulinum

Was ist Boltulismus?

Botulismus ist eine sehr seltene, aber sehr ernsthafte Erkrankung. Hervorgerufen wird sie durch bestimmte sporenbildende Bakterien, welche giftige Substanzen produzieren, sogenannte Neurotoxine. Diese Botulinum Neurotoxine hemmen die Ausschüttung des Botenstoffes Acetylcholin an der Schnittstelle zur Muskulatur (motorischen Endplatte) und dem für die Funktion vieler innerer Organe wichtigen autonomen cholinergen Nervensystem. Hierdurch kommt es zu Muskelschwäche, schlaffen Lähmungen und weiteren sogenannten anticholinergen Effekten.

Früher lauerte dieses Bakteriengift vor allem in aufgeblähten Lebensmitteldosen. Kontrollen und Konservierungsstoffe haben Fertiggerichte heute sicherer gemacht. Selbst zubereitete Speisen bergen aber immernoch ein Risiko. Selbst kleinste Mengen dieses Giftes genügen, um die schwere Erkrankung auszulösen. In Deutschland erkranken etwa zehn Personen pro Jahr.

Da die Erkrankungen durch die Neurotoxine ausgelöst werden, zählen sie zu den Vergiftungen (Intoxikationen). Allein der Verdacht auf Botulismus ist meldepflichtig.

Hintergrund – Botulinum Neurotoxin in Kosmetik und Medizin

Manche Menschen tragen das Gift absichtlich unter der Haut. Bestimmte Typen der Botulinum Neurotoxine werden zur kosmetischen Behandlung in Hautfältchen injiziert. Sie lähmen über einen gewissen Zeitraum die Gesichtsmuskulatur, die Haut zieht sich nicht mehr zusammen und bleibt glatt. Wie viele andere Gifte kann Botulinum Neurotoxin in sehr kleiner Dosis heilsam sein: Es kommt als Krampflöser zum Einsatz, etwa bei Lidkrampf und spastischem Schiefhals. Auch bei extremem Schwitzen kann es helfen (Hyperhidrose). In der kosmetischen und medizinischen Behandlung werden die Gifte örtlich begrenzt und in minimalen Dosen eingesetzt und gelten – korrekt vom Fachmann angewendet – als nicht gefährlich.

Botulismus tritt meist durch Toxin-kontaminierte Lebensmittel auf

Botulismus tritt meist durch Toxin-kontaminierte Lebensmittel auf

Ursachen: Wie entsteht Botulismus?

Lebensmittelbotulismus

Hierzulande tritt Botulismus meistens nach dem Verzehr von Toxin-kontaminierten Lebensmitteln auf. Die Dauerformen (Sporen) des Erregers (meist Clostridium botulinum) können bei Erhitzung überleben und bilden die lebensgefährlichen Stoffwechselprodukte, die Botulinum Neurotoxine. Selbst im Kühlschrank können sich die Erreger vermehren, Temperaturen ab drei Grad Celsius reichen ihnen aus. Da es sich bei dem Erreger Clostridium botulinum um einen aneroben Keim handelt, kann sich dieser nur in Abwesenheit von Sauerstoff vermehren, also auch in luftdicht verpackten Lebensmitteln. Das Toxin ist hitzelabil, das heißt, es kann durch Hitze zerstört werden. Allerdings sind hierfür Temperaturen von mindestens 80 Grad Celsius nötig. Daher treten Intoxikationen vor allem bei schlecht oder unsachgemäß konservierten oder unzureichend erhitzten Lebensmitteln auf. Der Lebensmittelbotulismus ist eine Lebensmittelvergiftung.

Säuglingsbotulismus

Zu einer Infektion mit lebenden Bakterien kommt es selten. Säuglinge im ersten Lebensjahr haben jedoch eine schwache Körperabwehr und noch keine stabile Darmflora. In ihrem Verdauungstrakt können sich die Sporen ansiedeln und Botulinum Neurotoxine produzieren. Bestimmte Lebensmittel, wie zum Beispiel Honig, aber auch andere Naturprodukte, stehen im Verdacht, den sogenannten Säuglings-Botulismus auszulösen. Daher wird dringend empfohlen, Säuglinge unter einem Jahr nicht mit Honig oder Honig-gesüßtem Tee zu füttern. Viele Honighersteller weisen auf ihren Produkten auf diesen Punkt hin. Es gibt aber auch Fälle von Säuglingsbotulismus, bei denen sich kein Zusammenhang zu vorherigem Honigkonsum herstellen läßt – hier könnte die Aufnahme von Sporen aus Staub oder kontaminiertem Boden im Vordergrund stehen.

Wundbotulismus

Diese Form des Botulismus kommt in Deutschland selten vor. Hierbei kommt es ähnlich wie beim Säuglingsbotulismus zur Vermehrung der Bakterien und zur Gift-Ausschüttung im Wundbereich ohne Sauerstoffkontakt. Diese Form des Botulismus tritt fast ausschließlich bei Drogenkonsumenten auf, welche die verunreinigte Droge in die Vene, unter die Haut oder in den Muskel spritzen. Im Jahr 2014 erkrankten zum Beispiel vier Drogenkonsumenten an Botulismus, nachdem sie sich mutmaßlich mit Sporen verunreinigtes Heroin gespritzt hatten. Wundbotulismus tritt immer wieder in epidemiologisch zusammenhängenden Clustern auf (mehrere Fälle in einer Stadt, zeitgleiche Fälle an verschiedenen Orten), dies deutet auf eine gemeinsame Quelle (mit Sporen-verunreinigte Drogen) hin.

Welche Symptome sind typisch?

Botulinum Neurotoxine sind die stärksten aller bekannten Bakteriengifte. Unabhängig vom Vergiftungsweg verläuft die Erkrankung als akute, fieberlose, in der Regel seitengleich absteigende, schlaffe Lähmung, die am Kopf beginnt. Sehr charakteristisch sind Symptome, die sich mit den "4Ds" beschreiben lassen: Diplopie (Doppelbilder sehen), Dysphagie (Schluckstörungen), Dysphonie (Stimmstörung) und Dysarthrie (Sprachstörung).

Als frühes Zeichen einer Intoxikation ist Mundtrockenheit beschrieben. Erstes Anzeichen einer oralen Botolismus-Neurotoxin-Vergiftung kann auch eine unspezifische Magen-Darm-Symptomatik mit zunehmender Übelkeit, Erbrechen und Durchfall sein.

Bei einem schwereren Verlauf folgen symmetrische Lähmungen, das heißt sie treten meist in der linken und rechten Körperhälfte auf und breiten sich von oben (Kopfbereich) nach unten aus. Das Empfinden der Patienten ist dabei nicht beeinträchtigt; sie können Schmerz, Wärme und Kälte ganz normal fühlen. Oft machen sich die Lähmungen zuerst am Auge bemerkbar: Patienten sehen Bilder doppelt (Diplopie) und können ihre Lider nicht mehr bewegen, ihre Pupillen sind erweitert und passen sich nicht mehr an die Helligkeit an. Auch könne sich Lähmungen im Bereich der Hände finden, was vor allem durch ein verändertes Schriftbild auffällt. Probleme beim Sprechen (Dysarthrie, Dysphonie), eine Schlucklähmung (Dysphagie) und Atemnot folgen.

Bei Säuglingen kann eine Trinkschwäche, Schluckstörungen, Sprachstörung, Verstopfung, Muskelschwäche oder schlaffe Lähmungen auf die Erkrankung hinweisen.

Wird ein an Botulismus erkrankter Patient nicht schnell genug behandelt, kann er das Bewusstsein verlieren und an einer Lähmung der Atemmuskulatur sterben. Die Symptome der Erkrankung können innerhalb weniger Stunden auftreten. Sie können sich aber auch erst nach bis zu 14 Tagen einstellen. Das hängt davon ab, wie viel Gift aufgenommen wurde und auf welchem Weg (durch die Nahrung, durch eine Wunde), beziehungsweise davon, wie schnell sich die Erreger im Körper vermehren.

Wie kann der Arzt Botulismus diagnostizieren?

An erster Stelle steht die Verdachtsdiagnose aufgrund der gezeigten Symptome. Diese können sich aber auch bei anderen neurologischen Erkrankungen finden, so dass der Verdacht auf Botulismus, insbesondere wenn kein direkter Zusammenhang zu kontaminierten Lebensmitteln ersichtlich ist, mitunter schwierig ist.
Die Diagnosestellung erfolgt durch den Erreger- oder Giftnachweis aus einer Probe. Infrage kommen hierfür Blutuntersuchungen (Blutserum), Mageninhalt oder Stuhl des Patienten – im Fall des Wundbotulismus auch Wundabstrichmaterial. Parallel sollten im Fall des Lebensmittelbotulismus auch verdächtige Nahrungsmittel aus der Küche des Erkrankten untersucht werden. Die Proben werden in Deutschland nur in wenigen Speziallabors analysiert.

Neben einer Testung an Mäusen (Maus-Bioassay) kommen immunologische und massenspektrometrische Nachweisverfahren zum Einsatz. Da Botulinum Neurotoxine hochgiftig sind und es sich um eine variable Gruppe verwandter Moleküle handelt, ist es immer noch anspruchsvoll, die Toxine eindeutig nachzuweisen.

Wie sieht die Therapie aus?

Bereits bei milden Anzeichen auf eine Erkrankung ist dringend eine Krankenhauseinweisung und intensivmedizinische Überwachung nötig. Aufgrund des häufig schnellen Verlaufs und der Schwere der Erkrankung wird bereits bei Verdacht auf Botulismus mit einer Therapie begonnen ohne die Labortests abzuwarten.

Antitoxin-Gabe

Nach Abnahme des Proben-Materials wird ein Gegengift über die Vene verabreicht. Gegebenenfalls wird die Antitoxin-Gabe wiederholt. Das Gegengift erreicht allerdings nur die freien Toxine in der Blutzirkulation, nicht die Toxine, welche bereits in die Zelle aufgenommen wurden. In manchen Fällen muss das Mittel lumbal (in den Bereich der Lendenwirbelsäule) gespritzt werden, nachdem eine entsprechende Menge Nervenwasser entnommen wurde.

Antibiotika

Eine Antibiotikatherapie ist nur beim Wundbotulismus sinnvoll. Zuvor muss die infizierte Wunde chirugisch gesäubert werden.

Künstliche Beatmung

Kommt es aufgrund des Neurotoxins zu einer Atemlähmung muss eine künstliche Beatmung erfolgen. Diese kann teilweise mehrere Monate dauern.

Wie kann man Botulismus vorbeugen?

Wenn man selbst pökeln, einkochen oder einlegen will, sollte man sich unbedingt informieren, welche Konservierungsstoffe man dafür braucht, und in welcher Menge. Räuchern allein reicht zum Beispiel nicht aus. Lebensmittel, die theoretisch Bakteriengift enthalten könnten, sollte man auf jeden Fall gut erhitzen, dadurch wird das Gift normalerweise zerstört: Fleisch, das eine Viertelstunde lang bei hundert Grad gegart wurde, gilt als sicher – zumindest, wenn man es sofort verzehrt. Kritisch sind auch eingelegte Gemüse (Bohnen, Chili, Paprika), die in Öl (also unter Luftausschluss) gelagert werden; hier traten in der Vergangenheit weltweit immer wieder Vergiftungsfälle auf.

Dr. Brigitte Dorner

Dr. Brigitte Dorner

Unsere beratende Expertin

Dr. Brigitte Dorner arbeitet als Expertin für biologische Toxine am Robert Koch-Institut in Berlin

Quellen

  • Robert Koch Institut, Epidemiologisches Bulletin, Mai 2018, Nr. 20, RKI-Ratgeber Botulismus; Online: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2018/Ausgaben/20_18.pdf?__blob=publicationFile (abgerufen am 29. Juni 2018)
  • Deutsche Gesellschaft für Neurologie, Leitlinie Botulismus, Gültig bis 30. August 2019; Online: https://www.dgn.org/leitlinien/3491-ll-030-109-2017-botulismus#wasgibtesneues (abgerufen am 29. Juni 2018)
  • Robert Koch Institut, Biologische Toxine; Online: https://www.rki.de/DE/Content/Institut/OrgEinheiten/ZBS/ZBS3/zbs3_node.html (abgerufen am 15. Oktober 2018)
  • Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Hinweise für Verbraucher zum Botulismus durch Lebensmittel; Online: https://www.bfr.bund.de/cm/350/hinweise_fuer_verbraucher_zum_botulismus_durch_lebensmittel.pdf (abgerufen am 15. Oktober 2018)

Wichtiger Hinweis
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.